Wilde Flucht
Grube gegraben und mit gespitzten Stöcken gefüllt oder eine Schlinge an einem bis zum Boden gebogenen Baum befestigt, und wenn Charlie am Abend käme, würde es ihn – hoppla! – an den Füßen in die Luft reißen. Dann würden wir ihn umzingeln und windelweich schlagen.
Aber das ist kein Film, Mann. Das ist das Leben. Und wenn im echten Leben ein Schwachkopf auf dich schießt, kannst du nur eins tun: wie ein Kaninchen fliehen – wie ein blödes, verängstigtes Häschen.«
Joe ging nicht auf sein Gerede ein.
Manchmal, wenn ein morscher Ast knackte oder die Rinden zweier Bäume sich seufzend im Wind rieben, fuhr Joe herum und griff nach seiner Pistole. Er rechnete ständig damit, dass Charlie Tibbs über ihnen auftauchte oder anfing, sie aus großer Entfernung mit Gewehrschüssen niederzustrecken.
Am Talgrund floss ein kleiner Schmelzwasserbach zwischen Felsen dahin. Joe stieg auf die Steine und führte die beiden einen knappen Kilometer abwärts, ehe sie auf der anderen Hangseite wieder anstiegen.
Britney protestierte, und Joe erklärte ihr, der Umweg diene dazu, sie schwerer aufspüren zu können, da sie auf den Steinen keine Spuren hinterließen.
Im Schatten einer steilen Granitwand erstiegen sie den zweiten Höhenzug, bis die Wand sich endlich teilte und sie passieren ließ. Nach knapp fünfhundert Metern durch dürre Drehkiefern lichteten sich die Bäume, und sie näherten sich auf losem Grauschiefer dem Berggrat. Die Temperatur war während ihres Anstiegs wegen der zunehmenden Höhe um fünf Grad gefallen, obwohl es noch immer heiß war und die Spätnachmittagssonne stach.
Stewies schweres Atmen und die losgetretenen Schieferkaskaden, die sich immer wieder unter ihren Füßen lösten, waren die einzigen Geräusche beim Aufstieg.
» Versucht, über den Berg zu laufen, ohne stehen zu bleiben«, rief Joe Stewie über die Schulter zu. » Wenn Charlie Tibbs uns in sein Spektiv bekommt, dann hier, wo wir ohne Deckung sind.«
» Er ist ganz außer Atem!«, jammerte Britney. Sie hatte sich zurückfallen lassen und stieg – Stewies guten Arm um die Schulter gelegt – mühsam mit ihm bergauf.
» Dem geht’s gut«, brummte Joe. » Nur nicht anhalten. Wir können auf der anderen Seite rasten.«
» So ein Arschloch«, sagte Britney zu Stewie im völlig deplatzierten Tonfall einer Teenagerkomödie. » Erst schlägt er dich, und dann versucht er dich um zubringen.«
Japsend gab Stewie sich alle Mühe, ihr zu versichern, es gehe ihm prima.
Joe seufzte, wartete, bis die beiden ihn erreicht hatten, und legte sich dann Stewies kranken Arm über die Schulter. Zu dritt erklommen sie den Höhenzug und stolperten auf der anderen Seite talwärts, wobei sie erneut mit losem Schiefer zu kämpfen hatten.
Joe drängte weiter, bis sie größere Bäume erreichten, die Schatten und Deckung gewährten. Er duckte sich unter Stewies Arm hervor, der prompt runtersackte, und setzte sich auf einen umgestürzten Baum.
Stewie sank zusammen, hockte reglos da und kam langsam wieder zu Atem. Britney setzte sich hinter ihm in eine verwitterte Astgabel. Joe fiel auf, dass sie sich beim Klettern das Schienbein verletzt hatte und das inzwischen geronnene Blut ihr in zwei schmutzigen Rinnsalen bis in einen ihrer in Sandalen steckenden Füße gelaufen war.
Kaum lehnte er sich zurück, war ihm kühl, während der Schweiß unter seinem Hemd zu trocknen begann. Er nahm den Hut ab und strich sich mit den Fingern durchs Haar, das vom Schwitzen langsam salzig und damit steif wurde. Dann klopfte er Hemd- und Hosentaschen ab, um sich rasch zu vergewissern, was er dabeihatte. Während er den Tag im Kokon seines Pick-up mit Funkgerät, Feuerwaffen, Instrumenten und Lizzie begonnen hatte, nannte er nun Hemd und Hose, Stiefel, Hut, sein Holster mit Gürtel, das lange Seil, ein kleines Fernglas, das ihm an einer Schnur um den Hals hing, seinen Spiralnotizblock und einen Stift sein Eigen.
Ein Blick auf Stewie und Britney zeigte ihm, dass die beiden noch weniger aus der Hütte mitgenommen hatten.
Stewie setzte sich unter Schmerzen auf, schlang die Arme um die Knie und sah Joe an.
» Danke, dass Sie mir auf den Berg geholfen haben.«
» Keine Ursache.«
Britney verdrehte die Augen.
» Was sollen wir Ihrer Meinung nach tun?«, fragte Stewie. » Wie lange sollen wir uns verstecken, ehe wir umkehren?«
Genau darüber hatte Joe während ihres langen Aufstiegs nachgedacht.
» Ich weiß es nicht.«
Britney schnaufte so energisch, dass ihr Pony aus
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