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Wilde Flucht

Wilde Flucht

Titel: Wilde Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
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entweder an ihrem Bierkrug oder beugten sich über die Lichtflecke, um mit dem Queue zu zielen, als würden sie bei der Wapitijagd auf einen Bullen anlegen.
    Marybeth setzte sich auf den ersten leeren Stuhl am Tresen, wartete, bis der Barkeeper zu ihr kam, und bestellte ein Glas Bier. Derweil wurde sie von mindestens sechs Augenpaaren durchdringend gemustert. Die Blicke gaben ihr das Gefühl, die Gäste des Lokals seien Richter, die darauf warteten, dass sie eine Frage beantwortete.
    Sie war erst einmal in der Stockman-Bar gewesen – vor vier Jahren, als Joe sie mitgenommen hatte, damit sie seinen Vorgesetzten Vern Dunnegan und dessen damalige Frau Georgia kennenlernte. Vern hatte in einer Nische in der Nähe der Billardtische gesessen, die er als seine Nische bezeichnet hatte und wo die Leute sich mit ihm trafen. Marybeth hatte höflich mit Georgia gelächelt, während Vern und Joe über den Kurs der Behörde und über umstrittene Anweisungen gesprochen hatten, und sie hatte Joe mit dem Fuß angestoßen, um ihm verständlich zu machen, dass sie gehen wollte. Die Stockman-Bar mochte ein geschichtsträchtiger Ort sein, doch für Marybeth war es dort vor allem düster und roch nach Borniertheit und Korruption, und sie hatte längst genug davon gesehen. Vern wie Georgia gaben ihr ein unbehagliches Gefühl, und die Köpfe von Wapitis, Rotwild, Bighornschafen und Elchen an den Wänden schienen sie in eine frühere, rauere Epoche zerren zu wollen. Sie hatte nicht vorgehabt, das Lokal noch einmal zu betreten. Als Sheridan, die draußen im Wagen wartete, begriffen hatte, dass ihre Mutter sie im Auto sitzen ließ, um in die Stockman-Bar zu gehen, war sie wütend geworden.
    » Und wenn der Sheriff vorbeikommt und mich sieht?«
    Marybeth hatte bei brennender Innenbeleuchtung durch die halb geöffnete Wagentür geantwortet: » Sag ihm, dass ich gleich wieder da bin.«
    » Und wenn er meint, das sei Kindesmisshandlung? Schließlich lässt du deine liebende Tochter draußen im Auto und gehst in einen Saloon!«
    » Ich untersuche etwas und hoffe, da drin sitzt jemand, der uns helfen kann«, sagte Marybeth geduldig, doch ihre Augen blitzten. » Vergiss nicht, dass dein Dad verschwunden ist.«
    Sheridan wollte etwas Gehässiges sagen, verkniff es sich aber und fragte stattdessen: » Da drin soll jemand wissen, wo Dad ist?«
    Marybeth holte tief Luft. Es gab viel zu erklären.
    » Das hoffe ich«, sagte sie fast flehentlich. » Bitte tyrannisiere mich jetzt nicht.«
    Sheridan dachte kurz nach, nickte, beugte sich vor und umhalste ihre Mutter.
    » Du siehst aus wie eine Füchsin«, sagte sie, lehnte sich zurück und musterte ihre Mutter kameradschaftlich. » Du bist schon ein heißer Feger.«
    Marybeth hatte sich neue Jeans, ein dunkles T-Shirt in französischem Schnitt und eine Jeansjacke angezogen. Ihr blondes Haar leuchtete im Schein der Neonbierreklame. Sie war gekommen, um einen Rancher zu treffen. Einen ehemaligen Rancher, um genauer zu sein. Nur wusste er das noch nicht.
    Sie erkannte ihn, als ihre Augen sich an das dämmrige Kneipenlicht gewöhnt hatten. Er saß an die Wand gelehnt am hintersten Ende des Tresens. Obwohl er im Halbdunkel hockte und sein Gesicht bloß vom schwachen Neonlicht des Aquariums beleuchtet wurde, das auf einem Regalbrett stand, auf dem ansonsten ausgestopfte Präriehunde Billard spielten, hatte er etwas Unheilverkündendes. Sie spürte es sofort. Er war onkelhaft, klein und stämmig und hatte einen großen Kopf mit einer vom Alkohol blaurot geäderten Knollennase. Sein Kopf saß auf einem breiten Oberkörper, und er trug einen silbergrauen Stetson mit schmaler Krempe, der verschwitzt und ramponiert war, neu aber vierhundert Dollar gekostet hatte. Er war in den Sechzigern. Um noch einen Bourbon zu bestellen, brauchte er bloß den Finger ein wenig zu krümmen und die Braue fast unmerklich zu heben, damit der Barmann wusste, was er wollte – und seinen Wunsch eilends erfüllte.
    Neben ihm stand ein leerer Hocker, und Marybeth nahm ihr Bierglas, trug es dorthin, stellte es auf den Tresen, setzte sich und sah den ehemaligen Rancher im Spiegel an. Er blickte zurück, kniff die Augen zusammen und lächelte so erstaunt wie amüsiert.
    » Ich bin Marybeth Pickett, Mr. McBride. Darf ich in einer wichtigen Angelegenheit ein paar Minuten mit Ihnen sprechen?«
    » Ich weiß, wer du bist.« Sein Grinsen nahm zu, und er musterte sie. » Baby, nimm meine Zeit in Anspruch, solange du willst. Und nenn mich Rowdy.«
    »

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