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Wilde Flucht

Wilde Flucht

Titel: Wilde Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
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Ungeschicklichkeit machten ihm einen Strich durch die Rechnung. Einmal saß er einen qualvollen Tag lang mit einer behelfsmäßigen Falle vor dem Bau eines Präriehunds und verfehlte den fetten Nager doch immer wieder, obwohl das Tier über vierzigmal den Kopf aus der Höhle gestreckt hatte. So wurde er zum Aasfresser.
    In südwestlicher Richtung kroch er durch den Wald und konkurrierte mit Kojoten um frische Rotwild- und Wapiti-Kadaver. Er tauchte den Kopf in kalte Bergquellen, um an Brunnenkresse zu kommen. Er weidete wie ein Rind im nassen Gras und verschlang Bergpilze. Ein dichtes Hagebuttengesträuch an einem Bach versorgte ihn mit Vitamin C. Er plünderte sogar – wie er beschämt zugab – ein Zeltlager beim Crazy Woman Creek und verschlang eine Riesentüte Chips und sechs Würstchen, während die Camper in ihrem Kuppelzelt schnarchten. Wochenlang sah er den Boden nur aus zwanzig bis dreißig Zentimetern Höhe. Es war eine sehr demütigende Erfahrung. Seine Sachen waren zerfetzt. Er schlief im Schutz umgestürzter Bäume. Und er weinte oft.
    Mit Absicht war er nicht an eine Straße oder zu einem Zeltplatz gekrochen, wo man ihn hätte finden können, da er befürchtete, dass die Männer, die ihn zu töten versucht hatten, davon erfahren und einen zweiten Anschlag auf ihn verüben würden.
    Nahe einer Ranch bei Story, Wyoming, fand ihn eine schöne Witwe, nahm ihn auf und war einverstanden, darüber zu schweigen. Sie päppelte ihn auf, ließ ihn ein Gästezimmer in der Schlafbaracke bewohnen und gab ihm die Sachen ihres verstorbenen Mannes zum Anziehen. Er kam genug zu Kräften, um wieder gehen zu können. Sie war eine zähe, unabhängige Rancherin und starke Frau – genau der Typ Viehzüchterin, den er viele Jahre lang entschlossen verachtet hatte.
    Schließlich ging es ihm gut genug, damit sie ihn zur Hütte fuhr. Diesen Unterschlupf kannte er seit seiner Kindheit; er gehörte einem Freund der Familie, der ihn nie bewohnte. Langsam nahm er Kontakt zu Mitstreitern auf. Britney reagierte als Erste und tauchte mit Lebensmitteln, Handy und Funkgerät auf. Hayden Powell sagte, er komme, doch dann starb er auf rätselhafte Weise. Auch Anwalt Tod Marchand schaffte es nicht. Wie er inzwischen wusste, waren beide von Coble und Tibbs umgebracht worden.
    » Das ist ja eine unglaubliche Geschichte.«
    Stewie zuckte die Achseln und sah weg. Sein gesundes Auge war feucht. Joe konnte nicht sagen, ob das Erzählen seiner Erlebnisse ihn zum Weinen gebracht hatte.
    » Was ist das für ein Leuchten da drüben?«, fragte Britney Earthshare plötzlich von hinten. Joe hatte sie nicht kommen hören.
    Im Westen glomm ein leicht orangefarbener Streifen auf dem Gipfel des ersten Höhenzugs.
    » Da brennt Ihre Hütte ab«, sagte Joe und merkte, wie ihm die Worte die Kehle zuschnürten. » Charlie Tibbs ist uns also erhalten geblieben.«
    Als Joe mit klopfendem Herzen die Augen aufriss, war es ganz dunkel. Etwas hatte sein Unterbewusstsein alarmiert und ihn mit einem Schlag hellwach werden lassen.
    Er brauchte einen Moment, bis er wusste, wo genau er sich befand. Er war im Lager unter dem Grat eingeschlafen. Über ihm funkelten so viele Sterne, als hätte sich ein Schleier übers Firmament gelegt. Eine bläuliche Mondsichel stand wie der Abdruck eines Pferdehufs am Himmel.
    Stewie und Britney lagen zusammengekuschelt bei Joes Stiefeln. Sie waren aus völliger körperlicher wie geistiger Erschöpfung eingeschlafen – genau wie er.
    Irgendwo ein Stück höher am Waldrand hörte Joe ein gedämpftes Knacken und das Rascheln von etwas Schwerem.
    So leise und vorsichtig wie möglich drehte er sich, um sein Holster zu öffnen und seine .357er Magnum zu ziehen. Sein Mund war staubtrocken. Mit aufgerissenen Augen bemühte er sich, im Dunkeln möglichst viel zu erkennen.
    Schritte waren zu hören. War das der Hufschlag eines Pferdes? Hatte Charlie Tibbs sie bereits überholt? Würde er etwa plötzlich aus der Dunkelheit angeritten kommen?
    Er spannte den Hahn, spürte, wie der Zylinder sich drehte, hörte ihn einrasten und hob den Revolver mit beiden Händen. Als wäre die Mündung ein drittes Auge, bewegte er die Waffe mit, während er ringsum in die Nacht spähte.
    Ein großer schwarzer Umriss löste sich aus dem Dunkel und lief vor den grauen Stämmen am Waldrand entlang. Ein Schnauben und Husten war zu hören, und Joe spürte seine Gesichtsmuskeln unwillkürlich zucken.
    Es war ein Wapiti. Der Umriss hatte ein hellbraunes Hinterteil, das

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