Wilde Flucht
im Bach auf die Knie, ließ sich erleichtert nach vorn fallen und trank, bis das eisige Wasser ihm Mund und Kehle betäubte.
Er setzte sich mit triefendem Hemd auf und sah Stewie und Britney auf allen vieren im Wasser knien und trinken. Wir sehen aus und verhalten uns wie Tiere, dachte er.
Auf dem Boden der Schlucht waren sie ganz im Schatten. Joe sah zum strahlend blauen Himmelsschlitz hoch. Er vermutete, dass es hier unten täglich höchstens eine Stunde Sonne gab – und zwar, wenn sie direkt über der Schlucht stand. Dann hörte er das Dröhnen von den Rotorblättern eines Hubschraubers.
Stewie setzte sich auf, denn er hörte es auch. Das Geräusch war am lautesten, als der Helikopter mit libellengleicher Silhouette über die Schlucht schoss. Dann wurde das Dröhnen wieder leiser, bis es durch das Rauschen des Bachs hindurch nicht mehr zu hören war.
» Sie suchen nach uns!«, jubelte Stewie und stand auf. » Pech, dass wir in diesem Loch hocken, aber sie suchen nach uns!«
Bachabwärts rückten die Schluchtwände immer enger zusammen und ließen den harmlosen mittleren Zulauf des Twelve Sleep River zum reißend dahinschäumenden Gewässer ohne Ufer werden. Also blieb ihnen keine andere Möglichkeit, als die Schlucht auf der anderen Seite wieder hinaufzusteigen.
Joe ging voraus und betrat den bergauf führenden Felsvorsprung. Er hielt inne, seufzte, sammelte seine Kräfte und begann den Aufstieg. Er war anstrengender als der Abstieg, und Stewie verlangte häufig eine kleine Pause. Joes Hemd war schon wieder durchgeschwitzt. Schweiß strömte ihm vom Innenband seines Huts in den Kragen und sammelte sich an seinen Schläfen.
Schließlich gelangte Joe aus dem Schatten in die Sonne und sah mit einem Blick auf die andere Schluchtwand, dass sie die Kante fast erreicht hatten. Er machte eine Pause und beobachtete die Seite gegenüber, konnte aber noch nicht über die Kante blicken und wusste deshalb nicht, ob Charlie Tibbs ihren Fluchtweg entdeckt hatte. Wenn er ihn ausfindig macht, dachte Joe, sind wir ihm schutzlos ausgesetzt, denn auf dem Felsvorsprung können wir uns nirgendwo verstecken.
» Hört mal«, sagte er zu Stewie und Britney, die etwas unterhalb verschnauften, » ich weiß, dass ihr müde seid, aber wir müssen so rasch wie möglich aus dem Canyon raus. Von nun an also keine Rast mehr. Pause machen können wir, wenn wir es über die Kante geschafft haben, okay?«
Britney warf ihm einen hasserfüllten Blick zu und fluchte.
» Meinen Sie, er ist schon so nah?«, fragte Stewie besorgt.
» Ich weiß es nicht«, erwiderte Joe ungerührt. » Und jetzt los.«
Sie kam rasch und fühlte sich an, als würde ein Donner durch die Berge rollen: die intuitive Erkenntnis, dass Charlie Tibbs sie entdeckt hatte. Joe sah über die Schulter zur Kante gegenüber und entdeckte zwar nichts, spürte aber eine drohend aufziehende Gewalt, als würde eine unsichtbare Hand ihn abwärts drücken. Er bat Stewie und Britney inständig, schneller zu gehen.
Joe schätzte, dass es bis zur Kante kaum zwanzig Meter waren, und der Felsvorsprung wurde enger. Er sah ihn immer schmaler werden und praktisch verschwinden. Die letzten drei Meter bis zur Kante würden sie klettern müssen. Es gab genug Felsgrate und Spalten dafür, doch nichts würde einen Sturz aufhalten, falls er, Stewie oder Britney den Halt verlieren sollten.
Bis auf das warme Säuseln des Windes in den Bäumen und Stewies schweres Luftholen war es ganz still. Stewie war so ausgepumpt, dass er pfeifend atmete. Als wollte der Himmel Joes Angstgefühl spiegeln, hatte er eine dunklere Färbung angenommen, und das Licht schien im Fels zu verschwinden. Eine dunkle, regenschwere Gewitterbank schob sich langsam vor die Sonne, die Temperatur war gefallen, und die elektrische Energie in der Luft kündete ein sommerliches Unwetter an.
Joe befreite sich von dem Seil, indem er es über Schultern und Kopf schob, und begann zu klettern. Hand über Hand fand er Griffe, die sein Gewicht trugen, und zog sich die Wand hinauf. Als er die Kante der Schlucht erreichte, taten ihm Bizeps und Schultern höllisch weh, aber er konnte sich über den Rand schwingen und lag dann nach Atem ringend da. Doch er musste die Erschöpfung niederkämpfen und dafür sorgen, dass Stewie und Britney ihm rasch folgten.
Er kroch zu einem Baum, schlang das Seil um den Stamm, band es fest, prüfte es mit aller Kraft und kroch an die Schluchtkante zurück. Stewie und Britney standen reglos da und sahen mit
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