Wilde Magie - Wilde Magie - Fever / Wild Rain
schrecklichen Narben, die sich über Kims Rücken zogen, nicht länger vermeiden. »Dass sie das meinetwegen getan haben, macht mich ganz krank. Ich weiß, dass du mich nicht dafür verantwortlich machst, aber ich fühle mich schuldig.«
Kim lächelte sie an. »Wir haben alle an irgendetwas Schuld. Es macht nur wenig Sinn, sich für Dinge verantwortlich zu fühlen, auf die man keinen Einfluss hat. Also lassen Sie es.«
Rachael wünschte, es wäre wirklich so einfach. Sie wandte den Blick ab und starrte durchs Fenster in das dichte Grün. Die Blätter wirkten filigran, die unbändigen Schlingpflanzen hatten sich zu grünen Lianen verwunden, und Orchideen wetteiferten mit farbenprächtigen Pilzen und anderen Blumen um einen Platz auf den dicken Baumstämmen und Ästen. Es war wunderschön und urwüchsig und weckte etwas in ihr zum Leben. Sie sehnte sich danach, im tiefsten Wald zu verschwinden, einfach anders zu sein, anders zu werden, unangreifbar, wild und frei.
Zuerst fühlte sie es im Brustkorb, er wurde ihr so eng, dass ihr das Atmen schwerfiel. Dann spürte sie ein Brennen im Bauch, und ihre Muskeln reckten und streckten sich. Hitze versengte Fleisch und Knochen und brodelte in ihren Eingeweiden. Ein wahnsinniger Juckreiz befiel sie, sie blickte auf ihre Arme hinunter und sah, dass sich unter ihrer Haut etwas bewegte, etwas Lebendiges. Ihre Hände verbogen sich ungewollt, die Finger krümmten sich, und ihre Fingerspitzen durchfuhr ein stechender Schmerz. Sie japste nach Luft und trat vom Rand eines tiefen Abgrunds zurück, ihr Herz hämmerte, und ihre Lungen rangen nach Luft.
»Ich kann nicht mehr atmen, Rio.« Es dauerte eine
Ewigkeit, die Worte überhaupt herauszubekommen. »Ich muss nach draußen, ins Freie.«
Rio vergeudete keine Zeit mit Fragen, er nahm sie einfach auf seinen Arm, als wäre sie ein kleines Mädchen, und trug sie vorsichtig um Kim und Tama und den Topf mit der braungrünen Paste herum. Rachael erhaschte einen Blick auf Drakes Gesicht, der sie mit weit aufgerissenen Augen anstarrte, und die verrieten ihr, dass er mehr wusste als sie, ehe es ihm gelang, seine Züge wieder unter Kontrolle zu bringen.
Rachael vergrub ihr Gesicht an Rios Hals, atmete seinen tröstenden Körpergeruch und überließ sich der Kraft seiner Arme.
»Alles in Ordnung, Rachael«, beruhigte er sie und streichelte ihr mit der Hand übers Haar, während er sich mit ihr auf das kleine Sofa auf der Veranda setzte. »Horch auf den Wald, die Affen und Vögel. Sie bringen dich wieder ins Gleichgewicht. Lausch dem Regen. Seinem wohltuenden Klang.«
»Was passiert mit mir? Weißt du es? Ich schwöre, da hat sich unter meiner Haut etwas bewegt, vielleicht ein Parasit.« Die Luftfeuchtigkeit war so hoch, es war wie in einer Sauna. Das Plätschern des Regens klang durch das dichte Kronendach über ihnen verhalten und gedämpft. Rachaels Atem ging stoßweise und keuchend, so als hätte sie ein langes Rennen hinter sich. Ihr verletztes Bein pochte und brannte, und ihr Puls raste. »Ich habe keine Panikattacken, nie. Ich bin nicht hysterisch, Rio.«
»Ich weiß, Rachael. Niemand hält dich für hysterisch. Bleib ganz ruhig, und wenn wir wieder allein sind, reden wir darüber.« Sein Herz pochte ebenfalls. Es war unglaublich, beinahe undenkbar. Er brauchte Zeit, um zu überlegen
und sich etwas mehr Klarheit zu verschaffen, bevor er ihr Antworten geben konnte. »Nur eine Frage, Rachael. Hast du schon einmal vom Han Vol Don gehört? Hat deine Mutter jemals diese Worte gesagt oder sie in ihren Geschichten benutzt?« Mit angehaltenem Atem wartete er auf Rachaels Antwort; er hatte das Gefühl, seine ganze Welt könnte jeden Augenblick zusammenbrechen.
Rachael wühlte in ihrem Gedächtnis nach dem Ausdruck. Er kam ihr zwar nicht gänzlich unbekannt vor, aber sie hatte keine Ahnung, was er bedeutete, und sie war sich ziemlich sicher, dass ihre Mutter nie davon gesprochen hatte, wenn sie ihre wilden Dschungelabenteuer erzählte. »Ich weiß nicht. Mir gegenüber hat meine Mutter diese Worte nie erwähnt, allerdings …«, verwirrt brach Rachael ab.
»Ist nicht weiter wichtig«, meinte Rio.
»Was bedeutet das? Han Vol Don? Es klingt wie Musik.«
»Ist schon gut, denk nicht weiter darüber nach«, wiederholte Rio. »Ich hoffe, du machst dir keine Vorwürfe wegen dem, was Kim zugestoßen ist. Ich bin schon seit einiger Zeit entlang des Flusses unterwegs, und in drei verschiedenen Ländern, um Menschen zu retten, die Opfer von
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