Wilde Magie - Wilde Magie - Fever / Wild Rain
Erwartungsvoll spannte Rio die mächtigen Sprungmuskeln an. Hin und wieder zuckte seine Schwanzspitze, das war das Einzige, was sich regte. Seine durchdringenden gelbgrünen Augen sprühten vor Entschlossenheit und Intelligenz. Der schwarze Leopard lauerte, wie in der Bewegung erstarrt. Der gefleckte Leopard, ein voll ausgewachsenes Männchen, schob vorsichtig witternd den Kopf durch einen Wald aus Farnen. Humpelnd schlich er über den Boden und fauchte eine Gruppe Gibbons an, die ihn aus der Sicherheit der Baumkronen übel beschimpften. Zweige und Blätter regneten auf ihn herab, als die Affen tollkühn nach ihm warfen. Der gefleckte Leopard wahrte seine Würde noch einige Augenblicke, sprang dann jedoch, launisch wie alle seiner Art, mit angelegten Ohren und gefletschten Zähnen in die unteren Äste. In wilder Panik stoben die Gibbons in alle Richtungen davon.
Rio bewegte keinen Muskel, nicht einmal als die bösen Augen des anderen, zwei Flecke, die sich im überall gefleckten Umfeld verloren, ihn direkt anzusehen schienen. Er nahm seine Beute ins Visier. Sein gelb-grüner Blick wurde starr, alle Anspannung bündelte sich in seinen Augen. Mit unendlicher Geduld wartete und beobachtete er ihn, ohne den Hauch einer Bewegung. Der Eindringling
sprang wieder zu Boden, ein stummes Zähneblecken zeigte seine Verachtung für die Gibbons. Auf dick gepolsterten Pfoten pirschte er geräuschlos über die dichte Vegetation am Waldgrund.
Rio streckte sich und schob sich unter unglaublicher Muskelbeherrschung Zentimeter um Zentimeter auf dem Bauch über den Ast. Wenn er ein Stück weitergekommen war, hielt er reglos inne, dann kroch er zur nächsten Deckung - so gewann er Meter um Meter und pirschte sich von oben an den gefleckten Leoparden heran. Schließlich erreichte er das Ende des Astes. Sein Gegner schlich auf leisen Sohlen direkt unter ihm vorbei, nicht ahnend, dass Rio sprungbereit oben lauerte.
Er machte einen weiteren Schritt. Und noch einen. Blieb stehen und riss weit das Maul auf. Da stürzte Rio sich mit aller Kraft von oben auf ihn, bohrte die Fangzähne tief in seinen pelzbesetzten Hals und grub die rasiermesserscharfen Klauen in seine Seiten. Rio wollte das Ringen so schnell wie möglich beenden. Kämpfe zwischen Leoparden waren außerordentlich gefährlich.
Der gefleckte Leopard wehrte sich, verdrehte das biegsame Rückgrat, schlug mit gespreizten Pranken wild um sich und buckelte heftig, um den größeren Angreifer abzuschütteln. Doch Rio hielt ihn grimmig fest, entschlossen, ein Ende zu setzen. Das Brüllen und Fauchen der brutalen Auseinandersetzung zwischen den beiden gefährlichen Kontrahenten war im ganzen Wald zu hören. Die Vögel in den Bäumen stoben auf und stießen vielstimmige Warnschreie aus. Eichhörnchen und Lemuren schnatterten und schimpften. Affen kreischten panisch. Und Flughunde warfen sich mit den Vögeln in die Luft, so dass der Himmel voller Flügel zu sein schien.
Der gefleckte Leopard wollte ihn abschütteln, wand sich fauchend, und versuchte, Rio mit den Pranken die Eingeweide herauszureißen oder sonstwie zu zerfleischen. Doch er konnte den schwarzen Leoparden nicht loswerden; die Fangzähne blieben tief in seinen Nacken gebohrt, und der Druck der Kiefer war stark genug, seine Knochen zu zermalmen. Es war schnell vorüber, der Überraschungsangriff hatte Rio den winzigen Vorteil verschafft, den er für diesen Kampf benötigte. Der gefleckte Leopard rang keuchend nach Luft und sein Genick brach. Der schwarze Leopard hielt ihn noch eine Weile fest, um sicherzugehen, dass es wirklich vorbei war, dann ließ er den Gegner zu Boden fallen.
Rio nahm wieder menschliche Gestalt an und betrachtete den Leoparden mit Wehmut. Sie brauchten alle Artgenossen lebend. Jeder Leopard, den sie verloren, machte ihr Überleben schwieriger. In den Kleidern, die der Killer zurückgelassen hatte, waren keine Etiketten gewesen, daher gab es keine Möglichkeit, ihn zu identifizieren. Rio hatte keine Ahnung, aus welchem Land er gekommen war oder warum er sich dazu hergegeben hatte, seine Art mit einer solchen Tat zu diskreditieren, doch er war sich sicher, dass dieser Leopard nicht in der Nähe seines Dorfes geboren sein konnte.
Hieß das, dass Rachaels Leute wussten, dass sie eine Gestaltwandlerin war? Und hatten sie die Todesstrafe gegen sie ausgesprochen? Seine Art gehorchte strengen Regeln. Die Gesetze des Dschungels dienten dem Allgemeinwohl der Spezies. Wenn Rachael ein Verbrechen gegen ihr Volk
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