Wilde Magie - Wilde Magie - Fever / Wild Rain
umbringen wollen, wärst du jetzt tot, das kannst du mir glauben, und ich wäre gerade damit beschäftigt, deine Leiche im Wald zu vergraben. Jetzt bleib ruhig und halt den Mund. Falls es dir noch nicht aufgefallen sein sollte, ich bin vollkommen durchnässt und habe selbst ein paar Wunden, die ich versorgen müsste.«
»Und ich hab die ganze Zeit gedacht, Sie wären ein ganzer Kerl und würden sich um solche Kleinigkeiten nicht scheren.«
Der Mann murmelte etwas sicher wenig Schmeichelhaftes, ehe er sich wieder über ihr Bein beugte.
Rachael verabschiedete sich von der Idee, die Heldin wie im Film spielen zu wollen. Mit dem kleinen Streit war es ihr wunderbar gelungen, sich ein wenig von den quälenden Schmerzen in ihrem Bein abzulenken, doch seine feinen Nadelstiche taten ein Übriges. Es fühlte sich an, als mache er sich mit einer stumpfen Säge an ihrem Bein zu schaffen. Sie konnte nicht einmal nach dem Kissen
greifen, um darin dann ihre Schreie zu ersticken, weil ihre Hand nicht richtig funktionierte. Sie hörte jemanden weinen. Ein unangenehmes, lästiges Geräusch, das einfach nicht aufhören wollte. Schrille Klagelaute störten immer wieder ihre Konzentration, so dass es ihr unmöglich war, still liegen zu bleiben.
Grimmig presste Rio die Frau auf die Matratze, während er weiternähte. Er war dankbar, als sie endlich vor Schmerz das Bewusstsein verlor und mit keuchendem Atem und hämmerndem Puls reglos liegenblieb. Ihr leises Stöhnen ging ihm durch und durch. Nagte an seinem Herzen. »Verdammt, Fritz. Musstest du ihr gleich das ganze Bein abreißen?« Bei dem dämmrigen Licht im Raum brauchte er fast eine Stunde, um die Wunde von innen nach außen mit kleinen Stichen zu vernähen. Seufzend richtete er sich schließlich auf und strich sich mit den Handrücken den Schweiß vom Gesicht, wobei er gleichzeitig ihr Blut in seine Bartstoppeln schmierte. Nun konnte er seiner langen Sündenliste also noch das Foltern von Frauen hinzufügen.
Rio strich seiner Patientin das Haar aus dem bleichen Gesicht und betrachtete sie stirnrunzelnd. »Wehe, du stirbst mir«, drohte er, während er ihren Puls kontrollierte. Sie hatte viel Blut verloren, und ihre Haut fühlte sich feucht an, ganz klamm. Offenbar stand sie unter Schock. »Wer bist du?« Er deckte sie zu und schürte das Feuer, um einen großen Topf Wasser sowie einen kleinen Wasserkessel zu erhitzen. Er wollte Kaffee kochen, denn die Nacht würde lang werden, und er brauchte eine Stärkung.
Die Katzen lagen bereits schlafend am Feuer, erwachten aber, als Rio sie auf Verletzungen untersuchte. Er redete leise auf sie ein, eigentlich nur dummes Zeug, und zeigte
ihnen auf eher grobe Art seine Zuneigung, indem er sie von Parasiten befreite und ihnen dabei das Fell zauste. Er gestand sich nie ein, dass er an den beiden hing, doch es gefiel ihm, wenn sie über Nacht bei ihm blieben. Fritz zeigte beim Gähnen seine langen, scharfen Zähne, und Franz stupste ihn schläfrig mit der Schnauze an. Die sonst so verspielten Nebelparder waren erschöpft.
Während Rio sich die Hände wusch, wurde ihm bewusst, wie unangenehm seine durchnässte Kleidung an ihm klebte. Nun, da er den Gedanken zuließ, tat ihm jeder einzelne Muskel weh. Er musste noch seine eigenen Wunden waschen und vernähen, und diese Aussicht war alles andere als verlockend. Sein Rucksack lehnte noch immer draußen am Baum, und er brauchte daraus den großen Verbandskasten, den er stets bei sich trug.
Während Rio darauf wartete, dass das Wasser kochte, durchstöberte er das Haus nach Hinweisen, die ihm verraten konnten, wer die Frau war und was sie bei ihm wollte. »Rotkäppchen ging einfach so durch den Wald spazieren?« Er durchwühlte den Rucksack, in dem sie ihre Kleider hatte. »Du hast Geld an den Füßen. Viel Geld.« Er kannte die Designerlabel von den vielen reichen Entführungsopfern, die er gerettet hatte. »Warum streifst du allein durch mein Revier?« Er ließ seinen Blick über ihr Gesicht wandern, während er ein Stück seidener Unterwäsche in seiner Hand zerknüllte. Er wollte den Fragen, die ihm keine Ruhe ließen, keinen Raum geben. Warum verspürte er immer, wenn er ihr blasses Gesicht anschaute, diese Sehnsucht? Warum war es jedes Mal wie ein Schlag in die Magengrube, wenn er seine Fingermale an ihrem Hals sah? Wie zum Teufel stellte sie es an, dass er sich schuldig fühlte, während sie doch diejenige war, die einfach in sein Haus spaziert
war und ihm dort aufgelauert hatte? Um diesen
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