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Wilde Pferde in Gefahr

Titel: Wilde Pferde in Gefahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ross
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verzweifelt.
    Sie bekam keine Antwort. Auch als sie ein zweites und drittes Mal nach ihm rief, blieb alles still. Ihre Stimme verhallte wirkungslos in der Dunkelheit. Nach ein paar Schritten versuchte sie es erneut, wieder ohne Ergebnis. Sie suchte nach Spuren und gab schon nach wenigen Augenblicken auf. Der Boden war mit abgebrochenen Ästen und Fichtennadeln übersät, dort hätte nicht mal ein Fährtensucher etwas gefunden. »John!«, rief sie wieder. »John! Um Himmels willen, wo bist du?«
    Keine Antwort.
    Nur das leise Rauschen des Windes.
    Peggy stieg weiter nach unten, bohrte einige Äste in den Boden, um später nach oben zurückzufinden. Ohne einen Pfad sah in dem Wald alles gleich aus. Ein Baum neben dem anderen, kaum zu unterscheiden, keine Felsbrocken mehr, keine Hügel, nicht mal ein umgestürzter Baumstamm, der ihr den Weg gewiesen hätte.
    Ein dumpfes Grollen drang durch den Wald. Der Donner eines nahenden Gewitters? Kaum möglich, dachte Peggy, auch wenn das Wetter in den Bergenmanchmal rasch umschlug. Vor ein paar Minuten war der Himmel noch strahlend blau gewesen. Ein Berglöwe oder ein Bär, der den Jungen gewittert hatte? Sie stellte sich vor, dass John gestürzt war und irgendwo mit einem gebrochenen Bein lag, den wilden Tieren hilflos ausgeliefert. Wenn ein Berglöwe das Blut roch, überwand er vielleicht die Scheu vor den Menschen. Aber warum rief der Junge nicht um Hilfe? War er bewusstlos? War er so weit weg, dass sie sein Rufen nicht hörte?
    Sie folgte dem Grollen und glaubte einen dunklen Schatten zwischen den Bäumen zu erkennen. Sofort blieb sie stehen. Sie kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können, aber der Schatten war schon wieder verschwunden. Wahrscheinlich nur Einbildung, sagte sie sich, in dieser düsteren Umgebung konnte man schon auf seltsame Gedanken kommen. Dennoch wartete sie minutenlang, bevor sie weiterging. Sie blickte sich noch aufmerksamer um, zuckte bei dem jedem Knacken und Ächzen zusammen und hielt sich erschrocken an einem Baum fest, als dicht vor ihr ein Eichhörnchen an einem Baumstamm emporkletterte.
    Nur ganz allmählich beruhigte sich ihr Puls wieder. Sie bohrte einen weiteren Ast in den weichen Boden, um nicht die Orientierung zu verlieren, und hielt auf das helle Licht zu, das in einiger Entfernung durch die Bäume schimmerte. »John!«, rief sie in der Hoffnung,der Junge könnte auch dem Licht gefolgt sein. »John! Bist du da unten? Melde dich, John! Ich bin’s, Peggy! Ich will dir helfen!«
    Doch der Wald blieb stumm, und außer dem Rauschen des Windes und dem Krächzen eines einsamen Vogels war kein Laut zu hören. Peggy beschleunigte ihre Schritte, konnte sich vorstellen, wie besorgt Annie war. Mit ungelenken Schritten, weil der Boden immer noch glitschig war, und beiden Armen vor dem Gesicht, um sich gegen tief hängende Äste zu schützen, lief sie auf den hellen Schein zu.
    Endlich erreichte sie das Ende des Waldes. Vor ihr tat sich eine Lichtung auf, die bis zum Rande eines felsigen Abgrundes reichte. Dahinter öffnete sich eine riesige Schlucht. Ein weiter Himmel spannte sich bis zum Horizont und verschmolz mit der Wüste, die sich im Osten erstreckte. Ein Habicht fühlte sich durch ihre Anwesenheit gestört und schwang sich in die Lüfte.
    Von John keine Spur.
    »John! Bist du hier irgendwo? Bist du in der Nähe?«
    Keine Antwort.
    Eine schreckliche Ahnung keimte in ihr auf. Vorsichtig und zögernd, voll Angst, den Jungen tot oder verletzt auf dem Grund der Schlucht zu sehen, tastete sie sich bis zum Rand des Abgrundes vor. Mit klopfendem Herzen blickte sie in die Tiefe, sah Geröll und abgebrochene Äste auf dem Boden liegen und entdeckte einen Teil des Pfades, über den sie zur Bergwieseemporgeritten waren. Als der Wind für einen Augenblick verstummte, hörte sie den Wasserfall leise rauschen.
    Sie ging am Rand der Schlucht entlang und suchte weiter. Außer einigen Rehen, die weit unten auf einer Wiese ästen, war kein Leben zu entdecken. Auch der Habicht hatte sich verzogen und suchte woanders nach Beute. Die wenigen Wolken, die langsam über den Himmel zogen, warfen düstere Schatten.
    Am südlichen Ende der Klippe entdeckte sie einen weiteren Pfad. Er führte durch ein kurzes Waldstück und in steilen Serpentinen durch ein Gewirr von Felsen und abgestorbenen Bäumen in die Tiefe. Annie hatte nie von diesem Trail erzählt, anscheinend war er wesentlich steiler als der Pfad, über den sie in die Berge geritten waren. Peggy konnte

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