Wilde Rose der Prärie
wischte sich die Hände an den Hosenbeinen ab. Sie beabsichtigte, sich später umzuziehen und das einzige Kleid zu tragen, das sie trotz Holts Vorschriften zum Gewicht des Reisegepäcks mitzunehmen gewagt hatte - ein zweckmäßiges Kattunkleid -, und das Haar hochzustecken, bevor sie sich ins Stadtzentrum begab. Zwar wollte sie weder Rafe McKettrick noch seinen Bruder beeindrucken, dennoch wünschte sie sich, sie hätte etwas mehr auf ihr Äußeres geachtet.
Rafe gab Sorrowful ein Stück Brotrinde. „Holt sagt, Sie gehen einkaufen." Gleichzeitig kramte er in einer Hosentasche. „Ich habe überlegt, ob Sie wohl etwas für meine Frau und mein kleines Mädchen aussuchen könnten. Ich glaube, dafür werde ich keine Zeit haben." Dabei warf er seinem Bruder einen verärgerten Blick zu, dann gab er Lorelei eine Goldmünze im Wert von fünf Dollar. „Emmeline mag Kämme, und Georgia würde sich bestimmt über eine hübsche Puppe freuen." Er stutzte und dachte vermutlich an die Beerdigung von Tillies Puppe. „Nein, nehmen Sie lieber etwas Kleineres, etwas ganz aus Stoff."
„Das ist mir ein Vergnügen", erwiderte Lorelei ehrlich und nahm die Münze an sich. „Sattel endlich dein Pferd, Rafe", forderte Holt ihn mürrisch auf. „Wir haben einiges zu erledigen."
Rafe schüttelte den Kopf. „Er ist schon ein widersprüchlicher Kerl, nicht wahr?", fragte er laut genug, dass man es am anderen Ende des Stalls hören konnte. „Dagegen kann ich nichts einwenden", zwitscherte Lorelei. „Jedenfalls nichts halbwegs Vernünftiges", warf Holt ein und führte sein Pferd nach draußen in den grellen Sonnenschein.
„Ich hoffe, Sie glauben nicht, dass wir alle so sind", meinte Rafe grinsend. „Wir McKettricks, will ich damit sagen."
„Rafe!", brüllte sein Bruder von draußen.
Er verdrehte die Augen, ging aber zu seiner Box und sattelte Chief. Lorelei wartete, bis die beiden von Heddys Hof geritten waren, dann ließ sie Seesaw in seiner Box allein, wo er zufrieden Heu fraß. Die Goldmünze in ihrer Hosentasche fühlte sich schwer an, und unwillkürlich fragte sie sich, wie wohl die anderen McKettricks waren. Ganz bestimmt nicht so stur und halsstarrig wie Holt. Auf dem Weg aus der Scheune wäre sie um ein Haar mit dem Captain zusammengestoßen. Lächelnd fasste er ihre Schultern, damit sie nicht das Gleichgewicht verlor.
„Heute Abend findet wieder eine Pokerrunde statt", ließ er sie wissen. „Gleich nach dem Essen. Hätten Sie Lust, mir eine Chance zu geben, damit ich etwas von dem Geld zurückgewinnen kann, das ich in der Mission an Sie verloren habe?" Der Gedanke an die Mission ließ sofort einen Schauer über Loreleis Rücken laufen - sie wusste nicht, was schlimmer war: der Besuch der Komantschen oder die unsichtbaren Mönche -, aber sie verdrängte das Gefühl schnell wieder. Sie sollte besser nicht so viel über Indianer grübeln, wenn noch ein so langer Weg vor ihnen lag. Doch es gefiel ihr, über die mysteriösen Freunde des Padres nachzudenken. „Mag sein, dass ich bereit bin, einen Teil meines Gewinns zu setzen", antwortete sie lachend. „Vorausgesetzt, Heddy hat nichts gegen Glücksspiel in ihrem Haus."
„Heddy", meinte der Captain liebenswürdig, „dürfte mit so gut wie allem einverstanden sein, würde ich sagen."
Lorelei war einen Moment lang abgelenkt, als Heddy aus der Küche kam und für Sorrowful einen Teller mit Resten hinstellte. Der Hund kam wie der Blitz über den Hof geschossen und stürzte sich auf das Essen. „Als ich sie das erste Mal sah", überlegte Lorelei, „da dachte ich, sie muss die bösartigste Frau auf der ganzen Welt sein."
„Auf den ersten Eindruck kann man sich nicht immer verlassen", warnte der Captain leise.
Lorelei sah dem älteren Mann in die Augen. „Jetzt habe ich bereits zum zweiten Mal das Gefühl, dass sich mehr hinter Ihren Worten verbirgt als das, was Sie aussprechen. Bilde ich mir das nur ein, oder wollen Sie mir tatsächlich irgendetwas sagen?"
Der alte Ranger seufzte. „Ich halte es für besser, wenn ich warte, bis Sie von selbst dahinterkommen", antwortete er widerwillig. „Und jetzt muss ich mein Pferd satteln und losreiten. Holt hat mir eine lange Liste geschrieben, was noch alles zu erledigen ist." Mit diesen Worten ging er in die Scheune und ließ Lorelei abermals verwirrt zurück.
Tillie mit dem Baby auf dem Arm und Heddy waren in der Küche, als sie ins Haus zurückkehrte, aber von Melina war nichts zu sehen. Auf dem Weg nach Laredo war sie immer
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