Wilde Rose der Prärie
dann sagte er: „Das genügt mir als Erklärung."
„Okay, dann schaff jetzt diese erbärmlichen Kreaturen von der Straße, bevor sie noch wegen Herumlungerns verhaftet werden", meinte Holt im Weggehen. Der Captain und John hatten ihr Lager hinter Heddys Scheune aufgeschlagen. Entweder mochten sie die Betten an der seitlichen Veranda nicht, oder aber sie wollten sich gar nicht erst an eine bequeme Unterkunft gewöhnen, wenn doch wieder eine zermürbende Reise vor ihnen lag. Letztlich war Holt der Grund aber auch egal, schließlich waren die beiden alt genug, um solche Dinge selbst zu entscheiden. Die Sonne stand bereits tief über dem westlichen Horizont, als er sich dem Lagerfeuer näherte.
John sah ihn kommen und schenkte ihm unaufgefordert einen Becher Kaffee ein. „Rafe war vor einiger Zeit hier", sagte er, während Holt den Becher annahm. „Er hat uns erzählt, dass du einen traurigen Haufen aus Säufern und Rumtreibern angeheuert hast."
Holt lächelte finster. Der Kaffee war heiß und stark, aber er brannte auf der Zunge. „Die Auswahl war nicht groß", gab er zu.„Im Augenblick begleiten die besten Viehtreiber die letzten Herden des Sommers rauf nach Abilene und Kansas City." Der Captain, der sich vor dem Feuer zusammengekauert hatte, gab einen Schuss Whiskey in seinen Becher und sah dann zu Holt, wobei er wegen der tief stehenden Sonne blinzeln musste. „Haben Sie was über Frank Corrales herausgefunden?" Ein unangenehmes Gefühl machte sich in seinem Magen breit, während er den Kopf schüttelte. „Nein", gab er nach einer Weile zu. „Etliche Leute kennen ihn, aber falls er in den letzten Monaten in Laredo war, dann hat ihn niemand gesehen." Er blies in den Kaffeebecher, dann versuchte er es mit einem weiteren Schluck. „Habt ihr zwei eigentlich den ganzen Tag nur faul hier gesessen, oder habt ihr die Vorräte aufgestockt, wie ich es euch gesagt hatte?"
„Der Wagen ist voll", antwortete John mit einem gütigen Lächeln. „Nur gut, dass Tillie mit dem Kind hierbleibt, weil für die beiden jetzt kein Platz mehr wäre." Die Erwähnung des Jungen bereitete Holt Unbehagen. „Ich habe heute mit dem Marshal gesprochen. Falls der Kleine irgendwo Verwandte hat, wird er sie ausfindig machen. Es kann eine Weile dauern, aber letztlich wird Tillie den Jungen wohl wieder abgeben müssen."
John schloss kurz die Augen. „Ja, ich weiß", stimmte er dann zu. „Vor dem Moment fürchte ich mich schon jetzt. Sie hat Pearl sehr in ihr Herz geschlossen, und ich weiß nicht, ob sie es ertragen kann, wenn jemand kommt, um ihr den Jungen abzunehmen."
„Vielleicht kommt es ja niemals so weit", warf der Captain ruhig ein. „In der Zwischenzeit sind die beiden hier erst mal sicher. Heddy wird dafür sorgen."
„Sie ist wirklich eine Type, diese Miss Heddy", überlegte John. „Wie bist du eigentlich an sie geraten?"
Holt hockte sich hin und kippte den Kaffeerest ins Feuer, wo er zischend verdampfte. „Heddy und ich kennen uns seit Langem", sagte er nach einer Weile. „Sie unterhielt in Abilene ein ... einen ,Betrieb'."
Der Captain zog eine Braue hoch. „Die Art von ,Betrieb', die ich vermute?"
„Vermutlich", entgegnete Holt.
„Ich glaub's ja nicht." Der Captain grinste ihn an. „Ich hätte nicht gedacht, dass Sie eine Schwäche für ältere Frauen haben."
„Ich sagte, sie unterhielt den Betrieb. Das ist etwas ganz anderes, als sich selbst um das Wohl der Kundschaft zu kümmern." John murmelte etwas Unverständliches.
In diesem Augenblick kam Heddy um die Ecke. „Kommen Sie rein, das Essen ist fertig", wies sie die Männer an. „Es ist schon schlimm genug, dass Sie lieber auf der Erde schlafen anstatt in meinen guten Betten. Wenn Sie meinen, Sie könnten jetzt auch noch meine Kochkünste mit Missachtung strafen, dann sind Sie aber sehr im Irrtum."
Lachend stand Holt auf, unmittelbar gefolgt von John und dem Captain. „Ich würde nie auf eines Ihrer hervorragenden Gerichte verzichten wollen, Miss Heddy", erklärte John.
Heddy strahlte ihn an, errötete wie ein Schulmädchen und strich sich übers Haar. Holt und der Captain sahen sich an, dann zuckte Letzterer mit den Schultern und meinte amüsiert: „Man kann nie wissen."
Melina strich ehrfürchtig mit einer Hand über den blau-weiß karierten Gingan, nachdem Lorelei das braune Einpackpapier aufgeschlagen hatte. Sie befanden sich in Heddys bescheidenem vorderem Salon, die Lampen brannten, durch den offenen Durchgang gelangten die Geräusche und
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