Wilde Rose der Prärie
sagte er. „Sonst denken die noch, dass sich da ein Massaker abgespielt hat." Er seufzte und sah Lorelei traurig an. „Vermutlich darf ich das erledigen." Als er an ihr vorbeiging, strich er ihr über den Arm. „Holt hat mir von Ihrer Ranch erzählt. Tut mir leid für Sie."
Lorelei war stark gewesen, weil sie es für Melina und das Baby hatte sein müssen. Jetzt aber stand sie völlig regungslos da, weil sie fürchtete, wenn sie sich bewegte, könnte sie in Tausende von winzigen Stücken zerfallen, die klirrend auf die Erde regneten.
Erst als die anderen gegangen waren, kam Holt näher. Sie merkte ihm an, dass er sie berühren wollte. Doch er tat es nicht, sondern ließ die Arme herabhängen. „Das war sehr mutig, was du da drinnen geleistet hast, Lorelei", sagte er leise. Sie würde sich immer an diese Worte erinnern, weil sie wusste, er war ein Mann, für den Mut vor allem anderen kam. Wenn neuer Ärger drohte, würde sie sich seine Worte ins Gedächtnis rufen und sich an ihnen wärmen wie ein Reisender an einem Lagerfeuer im Winter.
Eine Träne lief über ihre Wange. „Fang nicht an, nett zu mir zu sein, Holt McKettrick", wisperte sie. „Ich könnte es nicht ertragen, wenn du das tust." Er hob eine Augenbraue, der Hauch eines Grinsens umspielte seinen Mund. „Ist es dir lieber, wenn ich gemein zu dir bin?"
Trotzig hob sie das Kinn und schniefte gar nicht damenhaft. Dann richtete sie ihren von Tränen getrübten Blick auf einen Punkt oberhalb seiner linken Schulter. „Du wirst bestimmt mit dem Doc in die Stadt reiten und Gabe wissen lassen, dass er Vater eines Jungen geworden ist." Ein Schauer durchfuhr ihren Körper. „Ich würde gern mitkommen. Es wird Zeit, dass ich mit meinem Vater rede."
„Okay", sagte er, klang dabei aber unschlüssig. „Ich kann dich wohl nicht dazu bewegen, hierzubleiben und mich mit dem Richter reden zu lassen, oder?"
„Nein", erwiderte sie und sah ihm in die Augen. Sie hatte sich verändert, seit sie das Haus von Richter Fellows verlassen hatte, um nie mehr dorthin zurückzukehren. War seitdem tatsächlich nur so wenig Zeit verstrichen? In diesen Tagen hatte sie so viel gesehen, so viel erlebt und gelernt - und all das hatte einen anderen Menschen aus ihr gemacht. „Ich weiß, du glaubst, dass Mr. Templeton und seine Leute meine Ranch in Schutt und Asche gelegt haben, und damit könntest du recht haben. Aber wenn das der Fall ist, dann ist es auf Betreiben des Richters geschehen. Ich muss mich meinem Vater stellen und ihm klarmachen, dass er versuchen kann, was er will, aber er wird meinen Willen niemals brechen."
„Lorelei", murmelte Holt, dann fuhr er mit kräftigerer Stimme fort: „Du musst weder ihm noch sonst jemandem etwas klarmachen. Sollen sie doch am eigenen Leib merken, dass du jemand bist, den sie besser ernst nehmen." Sie stutzte. „Meinst du das wirklich?"
Lachend spielte er mit seinem Hut. „Und ob ich das meine. Du bist eine zähe Texanerin, und zwar durch und durch. Ich bin stolz darauf, dich zu kennen."
Sprachlos starrte sie ihn an, und er strich ihr mit dem Handrücken sanft über die Wange.
„Willst du ... willst du immer noch mein Land kaufen? Ich weiß, mein Haus steht nicht mehr, aber das Gras wird nachwachsen."
„Was?", fragte er verständnislos.
„Wenn Heddy verkaufen will", fuhr sie mutig fort, „dann werde ich ihr Logierhaus in Laredo übernehmen und mir dort eine Existenz aufbauen."
Holt schien diese Idee gar nicht zu gefallen. Wahrscheinlich war er immer noch der Meinung, sie und ihr Vater würden sich trotz allem aussöhnen, und sie würde sich mit Freuden wieder in ein Leben als alte Jungfer fügen. Auf diese Weise konnte er reinen Gewissens nach Arizona zurückkehren oder sich zumindest einreden, dass er nicht allzu viel Schaden angerichtet hatte. „Hast du etwa schon vergessen, wie viel Land sich zwischen hier und Laredo erstreckt? Wie willst du denn dorthin zurückkommen?"
„Ich nehme die Kutsche von Wells Fargo", antwortete sie. „Die haben berittene Begleiter, also sollte das eine sichere Reise werden."
„Sicher?" Aufgebracht schlug er sich mit dem Hut auf den Oberschenkel, dann setzte er ihn wieder auf.
„Vielleicht kann die Kutsche unterwegs ja noch bei der Davis-Ranch anhalten, damit Mary ihren blau-weißen Gingan bekommt."
„Ja, aber selbstverständlich!", brauste Holt auf. „Wells Fargo macht nichts lieber, als irgendwo in der Wildnis Stoffballen abzuliefern!"
Jetzt, da sie sich so wie üblich stritten,
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