Wilde Rose der Prärie
Lorelei nur einen flüchtigen Blick zu, während er das von Heddy angebotene Handtuch annahm, um sich die Hände abzutrocknen. „Es wird hier gleich sehr zur Sache gehen, Miss Fellows", erklärte er ruhig. „Falls Sie beabsichtigen, ohnmächtig zu werden, dann bitte ich Sie, vorher den Raum zu verlassen. Falls Sie allerdings behilflich sein möchten, dann besorgen Sie sich sauberes Wasser und schrubben Sie jede freie Stelle Ihrer Haut gründlichst mit dieser Seifenlauge ab. Heddy, setzen Sie einige Kessel mit Wasser auf und bringen Sie es zum Kochen. Danach brauche ich sauberen Stoff. Bettlaken wären gut, wenn Sie da etwas hätten. Ich muss Sie aber warnen, denn wenn wir hier fertig sind, werden Sie mit den Laken nicht mehr viel anfangen können."
Einen Moment lang zögerte Lorelei, da sie noch nie bei einer Geburt dabeigewesen war, weder bei einer leichten noch bei einer komplizierten. Wenn sie ehrlich war, dann fühlte sie sich bereits jetzt ein wenig schwindlig. Aber Melina war ihre Freundin, und sie würde es sich niemals verzeihen, wenn sie ausgerechnet jetzt Mutter und Kind im Stich ließ. Also ging sie zur Schüssel, schüttete den trüben Inhalt zur Hintertür hinaus und goss kochendheißes Wasser aus dem Kessel hinein, den Heddy auf dem Herd platziert hatte.
Heddy lief die Hintertreppe hinauf, um die Laken zu holen, während Lorelei die Hände ins Wasser tauchte und kaum wahrnahm, wie heiß es tatsächlich war. „Ich habe Angst, Lorelei", gestand Melina keuchend und machte sich auf die nächste der heftigen Wehen gefasst, die sie nun bereits seit Stunden ertrug. „Ich will Gabe."
„Du hast uns", konterte Lorelei freundlich, aber auch mit Nachdruck. „Für den Augenblick wirst du dich damit begnügen müssen."
Eine weitere Wehe durchfuhr Melina, die die Zähne bleckte und ihre schmale Hüfte weit nach oben drückte. Heddy hatte ihr schon früh am Tag aus ihrer Kleidung geholfen und ihr stattdessen eines von Johns Hemden angezogen. Das Hemd rutschte auseinander, als sie sich aufbäumte, und ihr kugelrunder Bauch war zu sehen, in dem sich der elementare Kampf eines Kindes abspielte, das die letzte Barriere zu überwinden versuchte, um zu leben.
„Können Sie denn gar nichts machen?", flehte Lorelei Dr. Brown an, der eine Hand auf Melinas Kreuz gelegt hatte und einen Blick zwischen ihre Beine warf. „Doch", antwortete er knapp. „Ich kann dieses Kind zur Welt bringen, und je eher das geschieht, umso besser. Machen Sie meine Tasche auf, darin finden Sie eine Flasche mit Äther. Geben Sie mir zuerst diese Flasche, danach nehmen Sie die Karbolsäure und das kleine Ledermäppchen heraus. Darin bewahre ich meine Skalpelle auf. Gießen Sie den Rest aus dem Wasserkessel über die Skalpelle und passen Sie um Gottes willen auf, die sind nämlich sehr scharf." Lorelei befolgte seine Anweisungen und wusch sich anschließend wieder die Hände. In der Zwischenzeit war Heddy mit einem alten Laken zurückgekehrt, das zwar durchgescheuert, aber sauber war.
„Reißen Sie es in Streifen", sagte der Doc, der unterdessen sein Taschentuch mit dem Äther tränkte. Ein beißender Geruch breitete sich in der feuchtwarmen Küche aus. Vor Angst fast gelähmt sah Lorelei zu, wie er Melina das Taschentuch vorsichtig auf Mund und Nase drückte.
„Halten Sie das", forderte er Lorelei auf, die erst einen Moment benötigte, um zu verstehen, dass er das Tuch meinte, dann stellte sie sich zu Melina und tat, was der Doc sagte.
Melina verdrehte die Augen, dann fielen ihr die Lider langsam zu, gleichzeitig kam ihr von Schmerzen geplagter Körper zur Ruhe.
Dr. Brown fischte eines der Skalpelle mit einer Pinzette aus dem heißen Wasser und nahm es in die Hand. Gebannt schaute Lorelei zu, wie er Melinas Bauch mit Karbolsäure bestrich, tief Luft holte, als müsse er sich in seinem kleinen, missgestalteten Körper erst noch sammeln. Schließlich setzte er die Klinge an und vollzog einen langen, durchgehenden Schnitt quer über den Bauch. Blut quoll hervor, und Lorelei schwankte leicht, als ihr der intensive metallische Geruch in die Nase stieg. Mit schierer Willenskraft gelang es ihr, eine Ohnmacht abzuwenden. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie Heddy, die mit irgendetwas beschäftigt war, aber sie konnte nicht den Blick abwenden von diesem entsetzlichen Schnitt.
Melina stöhnte, und sofort rief Dr. Brown: „Geben Sie noch ein paar Tropfen Äther auf das Taschentuch!" Dann vertiefte er mit geübten Bewegungen den ersten
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