Wilde Rose der Prärie
Komantschen davon nichts mitbekommen haben."
„Oh mein Gott", wisperte Lorelei.
„Holt wird richtig böse darüber sein", verkündete Tillie grinsend.
Lorelei entdeckte einen abgeflachten Felsbrocken und ließ sich darauf nieder. Ein wütender Holt McKettrick war ihr immer noch lieber als ein Trupp Komantschen, aber ein großer Unterschied bestand zwischen den beiden nicht.
Als Ersten fanden sie den Rancher, der neben der Pferdetränke auf dem Rücken lag.
Ein Pfeil ragte aus seiner Brust, und man hatte ihn skalpiert. Die Fliegen umschwärmten ihn bereits.
„Mein Gott!", sagte Rafe.
Holt saß von seinem Pferd ab und kniete neben dem Mann nieder, um zwei Finger auf dessen Halsschlagader zu legen, obwohl er wusste, er würde keinen Puls mehr finden. Sein Magen rebellierte, und er musste sich zwingen, die bittere Flüssigkeit wieder zu schlucken, die ihm in der Speiseröhre nach oben stieg. In seiner Zeit bei den Rangern hatte er Hunderte dieser Überfälle zu sehen bekommen, doch das war nichts, woran man sich jemals gewöhnen konnte.
Kahill, der Captain und einer der anderen Männer näherten sich währenddessen dem brennenden Gebäude. Kahill spähte durch die offenstehende Tür nach drinnen, musste sich aber wegen des Rauchs sein Halstuch vor Mund und Nase halten. Die anderen wichen hustend und röchelnd zurück.
„Da drin ist eine Frau mit zwei kleinen Mädchen", brachte Kahill noch heraus, dann musste er sich übergeben. Der Captain wirkte, als hätte er einen Geist gesehen. Holt lief zur Tür und wurde von einer Wand aus glühender Hitze aufgehalten. Bevor die Flammen ihn zum Rückzug zwingen konnten, sah er die Leichen. Die Frau hielt eine Pistole in ihrer bereits verkohlten Hand, was ihm verriet, dass sie erst die Kinder und dann sich selbst erschossen hatte. Angesichts dessen, was er über die Komantschen wusste, wunderte es Holt nicht, dass sie lieber den Freitod gewählt hatte, als in die Gewalt der Indianer zu geraten.
„Jesus Christus", flüsterte er, als Rafe ihm entgegenkam und ihm eine Feldflasche in die Hand drückte.
Kahill stolperte unterdessen zur Pferdetränke und spritzte sich Wasser ins Gesicht. Als sein Blick dabei auf den toten Rancher fiel, musste er sich abermals übergeben. „Und was jetzt?", fragte Rafe leise und beobachtete aufmerksam Holt, wie der aus der Flasche trank. „Verfolgen wir sie?"
„Nicht mit drei Frauen und einem Wagen", entgegnete Holt. „Und wir können sie auch nicht in dieser Schlucht zurücklassen."
Rafe betrachtete das kleine Haus. Falls es hier Pferde oder eine Milchkuh gegeben hatte, dann hatten sich die Komantschen längst bedient. Allerdings war ein kleiner Schuppen unversehrt geblieben.
„Da sollten wir besser noch einen Blick reinwerfen", entschied Holt.
„Vielleicht finden wir ja eine Schaufel", meinte Rafe nachdenklich. „Wir müssen diese Leute beerdigen."
Holt wollte erwidern, dass sie dafür keine Zeit hatten, doch er wusste, sie konnten die Toten nicht einfach so liegenlassen. Er wandte sich an Kahill, dessen Gesicht auffallend grau war.
„Nehmen Sie sich zwei Männer und sagen Sie den anderen Bescheid", wies er ihn an. „Wir werden hier die Nacht verbringen."
Kahill nickte und saß auf. Als die drei Cowboys davonritten, öffnete Rafe die knarrende Tür zum Schuppen. Auf den ersten Blick konnte Holt gar nichts erkennen. Er zwinkerte ein paar Mal, bis er sich an die Lichtverhältnisse im Schuppen gewöhnt hatte. Dann erkannte er ein Fass, einen Stapel Brennholz, verschiedene Werkzeuge, die an der gegenüberliegenden Wand hingen. Er konnte auch eine Schubkarre ausmachen - in der sich etwas bewegte. „Was ist denn das?", flüsterte Rafe.
Holt stieg über die hohe Türschwelle, ging zur Schubkarre und sah hinein. „Ich werd verrückt", sagte er dann und grinste seinen Bruder breit an.
24. Kapitel
Das Baby war nackt bis auf eine Windel, die man aus einem Fetzen Kattun gewickelt hatte. Es gluckste und strampelte mit Händen und Füßen, der lockige und flaumige, weizenblonde Haarschopf war schweißnass. „Das ist ja ein Kind", staunte Rafe.
„Das habe ich auch schon gemerkt", erwiderte Holt. „Nimm du es hoch, du hast Übung mit Kindern."
Dennoch zögerte Rafe zuerst. Dann rieb er sich die Hände, als sei das für diese Aufgabe notwendig, und beugte sich vor, um das Kind aus dem Stroh zu nehmen. „Das Kind ist nass", stellte er fest. Zu Hause kümmerte sich offenbar seine Frau Emmeline um solche Angelegenheiten, da er
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