Wilde Rosen: Roman (German Edition)
anrufen, die derzeit ein bißchen Luft zwischen zwei Jobs haben.« Ach, was für eine gelungene Umschreibung für Arbeitslosigkeit! »Meine eigene Firma könnte Ihnen vielleicht auch von Nutzen sein. Wir würden die Koordination übernehmen und dafür sorgen, daß die Wohnungen rechtzeitig fertig werden.«
Rupert betrachtete May in ihren Arbeitshosen, Doc Martens und dem schlabberigen Pulli. Sie hatte sich weder gewaschen noch die Zähne geputzt, und ihre Haare standen in alle Richtungen ab. Aber der smarte junge Schnösel mit dem Pferdeschwanz und dem Handy hatte ihn sitzen lassen. Warum sollte er es nicht mal mit diesem schmuddeligen Kobold versuchen? Wenn sie eine Freundin von Hugh war, war sie zumindest ehrlich.
»Okay. Wenn Sie glauben, Sie können es schaffen, haben Sie den Job.«
May und die Stimme verschmolzen lange genug, daß beide sich geschmeichelt fühlen konnten.
Rupert machte ihren Illusionen ein jähes Ende. »Sie können es einfach nicht schlimmer machen als die Cowboys, die ich bisher hatte.«
»Oh, gibt’s hier eine Wasserleitung?« In Mays Kopf drehte sich alles vor lauter Plänen, Deadlines und unvernünftigen Zusicherungen, als ihr plötzlich einfiel, wozu sie eigentlich hergekommen war.
»Sicher. Da drin. Bedienen Sie sich.« Rupert kam sofort aufs Geschäft zurück. »Wenn Sie es schaffen, die drei Wohnungen vor Ende Januar fertig zu kriegen, ohne den Kostenrahmen zu überschreiten, zahle ich Ihnen einen Bonus, und Sie kriegen den Auftrag für den restlichen Umbau des Lagerhauses.«
»Einverstanden. Wir werden Sie ganz sicher nicht enttäuschen.« Sie lächelte, um ihn zu überzeugen.
Rupert Williams fragte sich schon, wieso in aller Welt er zugestimmt hatte, diese kleine, abgerissene Figur auf seine wertvolle Investition loszulassen. Aber Hugh schien große Stücke auf sie zu halten, und er war furchtbar wählerisch, was Frauen anging. Er erwiderte das Lächeln, auch wenn er noch nicht überzeugt war.
May torkelte zu ihrem Boot zurück, Wasser schwappte in ihrem Kanister umher. Sie fühlte Übermut vermischt mit einem leichten Schwindel. Es schien, sie hatte sich einen wirklich lukrativen Job verschafft. Wenn sie ihn bewältigte, würde Cleaning Undertaken genug verdienen, daß sie all ihre Schulden bezahlen konnte, die anderen beiden die gleiche Summe einstreichen konnten und noch genug Kapital übrigblieb, um einen Lieferwagen und den Industriestaubsauger zu kaufen. Außerdem hatte sie Jed, Jethro und wenigstens drei weiteren Handwerkern, die sie kannte, bezahlte Arbeit verschafft. Sie waren ausnahmslos Bootsbewohner und lebten alle von der Hand in den Mund. May wußte, sie spielte mit gewaltigem Risiko. Aber wenn sie gewann, konnte sie ihr Boot behalten und Mike zum Teufel schicken.
»Erst mal Zähne putzen«, sagte sie, um sich auf den Boden der Tatsachen zurückzubringen. »Vielleicht kann ich danach klar denken.« Sie zerrte den Kanister über die Planke an Bord. »Ich mag mich irren, aber was ich tue, würde Hugh vermutlich nicht gerade ›auf sich aufpassen‹ nennen.«
Der Gedanke, daß sie ihm trotzte, war äußerst befriedigend. Immerhin hatte er sie schnöde verlassen und war nach Amerika geflogen.
Harriet und Sally kamen am nächsten Abend gegen neun mit dem Taxi. Sie hatten keine Probleme, das Boot zu finden, denn alles war von Bogenlampen hell erleuchtet, und aus dem Lagerhaus drang das Kreischen und Heulen von Baumaschinen.
Sie wechselten einen Blick, warfen ihre Taschen aufs Welldeck der Rose Revived und machten sich auf die Suche nach May.
»Hi!« May kniete am Boden des Lagerhauses und studierte einen Bauplan. »Wie geht’s euch? Kann eine von euch dieses Ding hier zufällig lesen?«
Harriet hockte sich neben sie. »Andersrum«, riet sie.
May sah ihre beiden Freundinnen an und erwachte aus ihrer Trance. Sie sprang auf, warf jeder einen Arm um die Schultern und stieß sie um ein Haar mit den Köpfen zusammen.
»Es tut so gut, euch zu sehen. Ich kann euch gar nicht sagen, was alles passiert ist seit Weihnachten. Alles in Ordnung mit euch? Schon verlobt, Sally?«
Ein Schatten huschte über Sallys Gesicht. »Nein.«
May wechselte hastig das Thema. »Und du, Harriet?«
Harriet schüttelte den Kopf. »Nein, ich bin nicht verlobt, und dabei wird es wohl auch bleiben. Aber jetzt erzähl endlich, was in aller Welt ist denn passiert? Warum bist du umgezogen? Was ist mit der Rose passiert?«
»Es war die Hölle. Aber ich glaube, langsam wird’s wieder.« An
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