Wilde Rosen: Roman (German Edition)
war, weil sie eigentlich gar keine Schauspielerin sein wollte, würde ihm das vielleicht den nötigen Schubs geben, um ihr einen Antrag zu machen. Bislang hatte immer sie die Initiative ergriffen. Wenn er sie wollte, dann mußte er jetzt aus der Defensive kommen und das offen sagen.
Wie auf ein Signal gähnten sie alle drei herzhaft. »Zeit fürs Bett, denk’ ich«, sagte May. »Morgen früh gibt es viel zu tun.«
Kapitel 30
A ls Harriet die Augen schloß, fragte sie sich, wo sie wohl heute wäre, wenn sie May nicht getroffen hätte an ihrem ersten Tag in London. Vermutlich würde sie in einem trostlosen Apartment hausen und in einem Schnellimbiß arbeiten.
Seit sie May begegnet war, hatte Harriet mehr Chaos erlebt als in ihrem ganzen bisherigen Leben. Und das neueste Projekt ließ alle ihre bisherigen Unternehmungen musterhaft konventionell erscheinen. Aber ganz gleich wie verrückt, wie abwegig, wie unmachbar dieses neue Unternehmen auch scheinen mochte, sie war fest entschlossen, daß es ein Erfolg werden solle, nicht nur um ihretwillen, sondern ebenso für May.
Sally empfand ganz ähnlich. Und auch wenn sie sich nach dem sanierungsbedürftigen Farmhaus in den Cotswolds sehnte, würde sie trotzdem aus Loyalität und auch aus Stolz auf May alles tun, um diesem Abenteuer zum Erfolg zu verhelfen. Die Wohnungen würden fertig werden – rechtzeitig, im finanziellen Limit, ganz gleich, was sie dafür tun mußte.
Obwohl May darauf bestanden hatte, auch weiterhin zu putzen, übernahm Harriet ihre Stammkunden ebenso wie die Aufgabe, May zu füttern. Jed aß bei Debra und Jethro auf der Curlew, aber hätte Harriet nicht darauf geachtet, hätte May das Essen gänzlich eingestellt. Harriet konnte schlecht darauf bestehen, daß sie zu einer vernünftigen Zeit schlafen ging, aber sie konnte ihr wenigstens in regelmäßigen Abständen ein Sandwich oder eine Tasse Suppe in die Hand drücken.
Genau das tat sie, als May und Jed in dem schmalen Durchgang standen, der auf den Plänen als »Küche« bezeichnet wurde. Harriet war skeptisch.
»Die Kombüse auf der Rose Revived ist größer als das hier. Man wird hier kaum eine Mikrowelle unterbringen, geschweige denn einen Herd. Kann die Küche nicht in eins der anderen Zimmer?«
May war fast die ganze Nacht auf gewesen und hatte mit Jed gearbeitet, war sein Lehrling und versorgte ihn mit Tee. Sie hatten die Badezimmer fertigbekommen, die der vorherige Bauunternehmer schon weitgehend eingerichtet hatte, hatten die Rohre verkastet und Wäscheschränke eingebaut. Doch in den Küchen fingen sie bei null an. May tat jeder Knochen weh vor Müdigkeit.
»Ich weiß. Vermutlich ist das der Grund, warum der andere Unternehmer Reißaus genommen hat. Wenn du hier einen Kühlschrank und einen Herd reinstellst, ist für nichts anderes mehr Platz, wie etwa einen Menschen.«
Jed, schon fast auf dem Weg ins Bett, sah sich um. »Etwa so groß wie die Kabine auf einem Butty.« Er sah Harriet an. »Ganze Familien mit vier oder fünf Kindern haben früher in Kabinen gelebt, die nicht größer waren als das hier.«
Mays Müdigkeit war mit einemmal wie weggeblasen. Sie fing an, mit den Armen zu wedeln, und hüpfte aufgeregt von einem Fuß auf den anderen. »Das ist es! Das ist es! Wir tun so, als wär’s eine Bootskabine!«
Jed grinste breit.
»Brillant. Das ist einfach brillant.«
Harriet hatte Mühe, ihre Euphorie zu teilen. »Entschuldigt, aber inwieweit macht das die Küche größer?«
»Macht es nicht. Aber hast du je eine traditionelle Bootskabine gesehen?«
»Nein.«
»Na ja, sie sind einfach genial eingerichtet. Eine Schranktür wird beispielsweise zum Tisch ausgeklappt. Überall Einbauschränke. Kein Zentimeter Raum ist verschenkt.«
»Hier.« Jeds Stiefel hinterließen Abdrücke in den Sägespänen am Boden. »Das wäre der ideale Platz für die Koje. Nur wir machen daraus den Eßplatz. Vier Leute könnte man hier problemlos unterbringen.«
»Und außerdem sind diese Wohnungen für irgendwelche Managertypen gedacht. Wenn die Gäste einladen wollen, gehen sie aus.«
Jed ignorierte Mays Einwurf. »Wir bauen die Mikrowelle hier oben ein, wo der Hängeschrank hinsollte. Mit Einbauschränken über dem Tisch und darunter kriegen wir genug Stauraum.«
Jed war in seinem Element. Mit weitausholenden Gesten zeigte er ihnen, wo jedes moderne Küchenutensil eingebaut werden konnte, platzsparend und unter optimaler Raumausnutzung, so wie die Fluß- und Kanalbewohner es früher auf ihren
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