Wilde Rosen: Roman (German Edition)
eine richtige Dame zu bekommen«, fuhr die Frau fort. »Nachdem ihre gute alte Haushälterin sich zur Ruhe gesetzt hat, haben die Walkers lieber versucht, allein zurechtzukommen, aus lauter Angst, sie könnten an eins von diesen furchtbaren jungen Dingern geraten.«
Sally erkannte, daß »jung« in diesem Fall offenbar eine Umschreibung für »gewöhnlich« war, und nickte damenhaft, wie sie hoffte. Nur gut, daß sie die Arbeitsmontur von gestern in den Mülleimer geworfen hatte. An diesem Morgen trug sie einen langweiligen, knielangen Rock, den sie anläßlich eines Vorsprechens für ein Stück von J.B. Priestley angeschafft hatte – ohne Erfolg. Captain und Mrs. Walker würden ihn bestimmt mögen. Verstohlen nahm sie ihre langen Silberohrringe ab.
Die Nachbarin gab ihr eine Schürze, die der pensionierten Haushälterin gehört hatte, zeigte ihr, wo die Putzmittel standen, und ging.
»Jetzt ist mein einziges Problem, den Schmutz zu finden«, sagte Sally zu einer Riege afrikanischer Veilchen auf der Fensterbank.
May verschlug es nach Wimbledon in das Heim einer abgekämpften jungen Mutter, deren Schwiegermutter zu Besuch kommen wollte. Ein Blick auf die Uhr sagte May, daß sie eine Viertelstunde zu spät kam. Sie hatte vergessen, wie weit es nach Wimbledon war.
Eine hübsche junge Frau in Jeans mit wirren Haaren, anscheinend nicht älter als May, öffnete ihr die Tür. Auf ihrem Hemd und der Jeans waren Flecken. Selbst auf ihrem Schuh war ein senffarbener Klecks. Eine Schar Kinder klammerte sich an ihre Beine, eins war großzügig mit roten Pocken bedeckt.
»Sie haben die Windpocken doch gehabt, oder?« fragte die Frau besorgt. »Ich habe dem Mann gesagt, meine Kinder hätten alle die Windpocken.«
Natürlich hatte Keith die Windpocken mit keiner Silbe erwähnt. »Oh, keine Sorge. Ich meine mich an einen Sommerurlaub mit roten Pusteln und Juckreiz zu erinnern.«
»Oh, gut. Kommen Sie rein. Sie sind ...?«
»May Sargent, Quality Cleaners. Gott, das ist ja so peinlich, sich so vorzustellen.«
Die Frau lachte und trat langsam in die Diele zurück, wobei sie den Kindern genug Zeit gab, den Rückwärtsgang einzulegen. »Ich bin Natalie Gwyn-Jones, aber nennen Sie mich Natalie. Ich bin seit vier Jahren verheiratet und hab’ drei Kinder, aber an Gwyn-Jones kann ich mich auch nicht so richtig gewöhnen.«
May folgte der Kinderschar – sie war der Meinung, es seien vier – in eine furchtbar chaotische Küche. Sie zählte nochmals und fragte sich einen Moment, ob Mrs. Gwyn-Jones sich bei der Anzahl ihrer Sprößlinge vielleicht irgendwie verrechnet haben könnte.
Natalie bemerkte Mays Verwirrung. »Das sind nicht alle meine«, erklärte sie. »Gott sei Dank. Damien ist nur zu Besuch, damit seine Mutter zum Frisör gehen kann. Was gäbe ich darum, wenn ich nur die Zeit hätte, meine Haare mal zu waschen. Kaffee?«
»Gern.«
Natalie Gwyn-Jones stellte den Kessel auf und redete non-stop. »Ich muß eine Putzhilfe engagieren, weil meine Schwiegermutter kommt. Ich begreife überhaupt nicht, warum ich sie noch ins Haus lasse! Ich hab’ versucht, sie mit den Windpocken abzuschrecken, aber das hat nichts genützt. Milch? Und ich weiß genau, ganz egal, was ich tue, selbst wenn ich das Haus komplett saniere, renoviere und sterilisiere, es wär’ trotzdem nicht gut genug. Plätzchen?«
Abwesend wickelte Natalie für May ein Plätzchen aus, ließ die untere Hälfte der Stanniolverpackung aber dran, so daß May es anfassen konnte, ohne Schokoladenfinger zu bekommen.
»Natürlich kommt sie nur, um bestätigt zu finden, was sie ja immer schon wußte«, fuhr Natalie fort. »Daß ich nämlich eine katastrophale Mutter bin und nicht im entferntesten gut genug für ihren geliebten Sebastian.«
Natalie sank in einen Stuhl, und die Kinder ließen von ihr ab, zuversichtlich, daß sie sich eine Weile nicht von der Stelle rühren würde. »Ich werde Ihnen natürlich helfen, wann immer ich kann, ich hätte so ein schlechtes Gewissen, wenn Sie alles alleine machen. Aber die Kinder sind so anhänglich im Augenblick, also werde ich wahrscheinlich nicht viel tun können. Warum begreift sie nicht, mit drei Kindern unter fünf läßt es sich einfach nicht vermeiden, daß im Haus manchmal das Chaos herrscht.«
May trank an ihrem Kaffee, knabberte ihren Keks und sah sich um. Sie war von Natur aus nicht ordentlich, aber sie hatte noch nie mit kleinen Kindern gelebt. Und die Kombination von Kleinkindern und Erwachsenen, die eine
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