Wilde Rosen: Roman (German Edition)
zu schlagen. »Ich hoffe, sie hat ihm nicht das Herz gebrochen«, sagte sie.
»O nein. Sie wär’ nie gegangen, wenn auch nur die leiseste Hoffnung bestanden hätte, daß er sie wirklich irgendwann heiratet. Aber ich glaube, Hugh liebt sein Junggesellendasein zu sehr, um es je aufzugeben. Und das ist wohl auch der Grund, warum er nicht mit zum Skifahren kommt dieses Jahr. Meine Frau betätigt sich gern als Kupplerin. Er hat Angst, daß sie ihm jede verfügbare heiratswillige Frau vorstellt.«
»Ich kann’s ihm nachfühlen. Die Vorstellung zu heiraten, deprimiert mich auch immer.«
Tom lachte. »Warten Sie, bis Sie sich verlieben. Dann werden Sie Ihre Meinung ändern.«
May sah ihn finster an. »Sie hören sich an wie meine Mutter.«
»Also, warum nennt man es ›Winding‹, wenn man das Boot umdreht, und nicht Wende? Oder wenigstens ›Wending‹?« fragte Matthew seine Mutter.
Harriet sah fragend zu May.
May, die gerade mit selbstsicherer Miene ein nahezu perfektes »Winding« absolviert hatte, wußte es auch nicht. »So heißt es eben einfach. Die Stellen, an denen man sein Boot wenden kann, heißen Windinglöcher. Die Kanalbewohner, die diese Wörter gemacht haben, waren größtenteils Analphabeten. Sie hatten ihre ganz eigene Art, die Dinge zu benennen. Guillotineschleusen nannten sie zum Beispiel ›Gullentine‹.«
»Ich würde sagen, das widerlegt Ihre Analphabetismustheorie, oder«, wandte Hugh ein, »warum hätten die Kanalbewohner sonst ein ›U‹ in ihr Wort eingefügt, das man bei dem Wort ›Guillotine‹ überhaupt nicht hört?«
May hatte sich diese Frage schon selbst gelegentlich gestellt, bedachte ihn aber trotzdem mit einem finsteren Blick. »Es ist noch nicht zu spät, um Sie ins Wasser zu werfen, wissen Sie.«
Matthew war entsetzt. »Aber May! Er würde in Ihre Schraube geraten, und Sie müßten das Schutzgitter ausbauen, um ihn abzukratzen, und dann könnte irgend jemand anders auf seinen Überresten auf Grund laufen!«
May war verblüfft, wie gut Matthew ihr offenbar zugehört hatte, als sie den Jungen von Kanälen und Booten erzählt hatte. Sie nickte. »Du hast vermutlich recht. Bleibt mir immer noch der Mop.«
Sie wies auf ihr Putzutensil mit dem rot-weiß geringelten Stiel, das sie benutzt hatte, um das Wasser vom Kabinendach zu wischen.
»Wie wahr«, bemerkte Hugh. »Vielleicht gehe ich lieber nach unten und helfe Harriet.«
Ohne ihn fühlte May sich verlassen.
Der Ausflug wurde ein triumphaler Erfolg. Die Jungs waren wunderbar – höflich, aber entspannt genug, um sich gegenseitig aufzuziehen und ihre Späße mit den Erwachsenen zu treiben. Die beiden Männer waren ausgelassen und voller Enthusiasmus. Und Tom Buckfast schrieb ihr schließlich mit einem dankbaren Lächeln einen Scheck aus, der höher war, als sie vereinbart hatten.
»Das würden wir furchtbar gern wiederholen, May. Haben Sie schon mal dran gedacht, eine Bootstour außerhalb von London zu machen?«
»Na ja, es gibt Campingboote, auf denen Kindergruppen Kanaltrips machen können.«
»Hm, ich weiß. Ich dachte an eine kleine Gruppe, vielleicht acht Jungen und zwei Erwachsene, irgendwann im Sommerhalbjahr. Wir würden Sie anständig bezahlen.«
»Ich müßte ein Butty leihen ...« sagte May, und im selben Moment fiel ihr ein, wen sie fragen konnte.
»Ein Butty?« fragte Hugh verständnislos. »Sie meinen ein Schinkensandwich?«
»Es ist ein Zweitboot ohne Motor, das man hinter dem Hauptboot herschleppt. ›Butty‹ ist ein walisisches Wort für ›Gefährte‹ oder ›Freund‹.«
»Ah. Sie könnten also mein Butty sein?«
»Todsicher nicht.«
»Aber rein theoretisch meine ... Gefährtin?«
»Nicht mal in meinen schlimmsten Alpträumen«, knurrte May, aber in ihren Augen funkelte ein Lachen.
Sally und James waren bei Piers’ Wohnung vorbeigefahren, und jetzt war der Kofferraum voll schwarzer Plastiksäcke. Als sie auf dem Parkplatz gegenüber dem kleinen Bootshafen anhielten, sah Sally May schon von weitem: Sie schrubbte das Dach der Rose Revived.
»Da ist May. Kommen Sie, ich stell’ sie Ihnen vor.«
Sally klang fröhlich, aber sie war enttäuscht von James. Von einer Ausnahme abgesehen hatte er all ihre Andeutungen, jeden Wink mit dem Zaunpfahl ignoriert. Eigentlich sollte sie jetzt bereits ihre Sachen in seine Kommode räumen und sich überlegen, wie sie Captain und Mrs. Walker ihre Anwesenheit erklären könnte. Aber, dachte sie, wer auch nur einen Tropfen Theaterblut in den Adern hat, gibt
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