Wilde Rosen: Roman (German Edition)
begann. Sie mochte Tom Buckfast wirklich gern und wollte nicht, daß er sie von oben herab behandelte und sich somit zum Feind machte.
»Machen Sie jetzt die Bugleine los, Mr. ähm ... Buckfast!« brüllte sie.
Hugh, der auf der Shadowfax gestanden hatte, das Tau in der Hand, aber immer noch um den Poller gelegt, löste die Leine nun und sprang geschickt zurück auf den Bug der Rose Revived, die sich sofort mit der Nase zur Kanalmitte drehte.
»Und jetzt Sie!« May lächelte dem Schuldirektor zu, der sein Tau ebenso geschickt löste und dann zu ihr ans Ruder trat.
»Sie kennen sich wohl aus mit Booten?« fragte May und korrigierte ihren Kurs. »Ich weiß, daß Hugh segelt. Sie auch?«
»O ja«, antwortete Tom. »Aber Hugh segelt ernsthaft. Die Fastnet-Regatta und so weiter. Dazu fehlt mir die Zeit. Und bitte, nennen Sie mich Tom. Die Jungs sind dran gewöhnt.«
»Und ich heiße May.« Sie grinste. »Ich hab’ schon gerätselt, wie ich Sie beide auseinanderhalten soll.«
Tom erwiderte das Grinsen. »Gibt es eine Verbindung vom Maschinenraum in die Kajüte?«
May nickte in der beruhigenden Gewißheit, daß ihr Schlafzimmer und das Bad zum ersten Mal seit ihrer Entstehung aufgeräumt waren.
»Dann werde ich mal nachsehen gehen, wie Miss Devonshire mit den kleinen Quälgeistern zurechtkommt, wenn Sie mich hier im Moment nicht brauchen.«
»Ich bin sicher, ihr wäre es lieber, Sie nennen sie Harriet.«
Tom Buckfast lächelte zustimmend und verschwand dann durch die Luke ins Innere des Bootes, während Hugh über das fünf Zentimeter breite Schandeck balancierte und sich May am flachen Heck ihres Bootes anschloß. Sie steuerte mit ihrer blanken Messingpinne, er sah ihr zu, schweigend und aufmerksam.
Als sie den schmalen Seitenarm hinter sich ließen, wo Boote auf beiden Seiten des Kanals lagen, und auf den breiten Kanal kamen, schlug May vor, die Jungen ihr Geschick am Ruder erproben zu lassen.
»Aber mich wollen Sie nicht steuern lassen?«
»Sie haben doch schon mal. Außerdem muß es Ihnen doch ziemlich langweilig vorkommen, verglichen mit segeln.«
»Nicht unbedingt«, entgegnete Hugh.
May schnitt ihm eine Grimasse. »Das sagen Sie nur, um mir zu widersprechen. Ich weiß ganz genau, daß ihr Segel-Typen auf uns Kanalbootfahrer herabschaut. Ihr meint, das sei unter der Würde eines jeden, der auch nur einen Tropfen echtes englisches Seefahrerblut in den Adern hat.«
»Und sagen Sie das jetzt in der Hoffnung, daß ich Ihnen recht gebe? Oder möchten Sie, daß ich vehement das Gegenteil behaupte?«
May flüsterte etwas höchst Unfeines vor sich hin. »Würden Sie die Jungs raufholen? Immer zwei auf einmal.«
Er sah sie so seltsam an, daß May sich fragte, ob er ihre Beschimpfung gehört hatte. »Nur, wenn Sie mich auch mal steuern lassen.«
»Sie wollen nur angeben vor all den kleinen Jungs.«
Hugh grinste.
Tom Buckfast wollte ebenfalls sein Glück versuchen. Er kam zurück an Deck, als alle anderen mit Tomatensuppe, »Hogies« (gefüllte Baguettes, hatte Harriet May aufgeklärt) und Tortillachips beschäftigt waren.
»Es tut gut, Hugh so gelöst zu sehen. Er genießt es, mit den Jungs zusammenzusein. Wenn er sich gestattet, es zu genießen.«
»Er ist ziemlich ...« May suchte nach einem höflichen Wort.
Tom lachte laut. »Er hat mir erzählt, daß sie ihn reaktionär und sexistisch genannt haben.«
»Na ja, das ist er.«
»Lassen Sie sich von Äußerlichkeiten nicht irreführen. Vielleicht wird er Sie überraschen.«
»Nicht, wenn ich es verhindern kann.« Dann ging ihr plötzlich auf, wie ungehobelt das klang, und sie rettete sich zu ihrer Thema-Wechsel-Strategie.
»Was machen Sie Weihnachten? Irgendwas Aufregendes?«
»Wir sammeln die Jungs ein, die zum Ferienbeginn noch da sind, und fahren mit ihnen in Skiurlaub. Normalerweise kommt Hugh immer mit, aber dieses Jahr nicht.«
»Warum nicht?«
»Er sagt, er muß kurz nach den Feiertagen geschäftlich verreisen und kann nicht riskieren, sich irgendwelche Knochen zu brechen, aber ich glaube nicht, daß das wirklich der Grund ist. Er bricht sich nie etwas, er ist ein erstklassiger Skifahrer.«
»Ah ja?«
Tom nickte. »Letztes Jahr hat er seine Verlobte mitgenommen.«
Also gab es eine Frau in seinem Leben. »Ich wußte gar nicht, daß er verlobt ist.«
»Oh, jetzt nicht mehr. Sie hat sich davongemacht.«
Mist! Hätte er eine solide, alteingesessene Verlobte gehabt, wäre May vielleicht endlich in der Lage gewesen, ihn sich aus dem Kopf
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