Wilde Rosen: Roman (German Edition)
Cleaning Undertaken kam in Schwung, schon nach nur einem Monat. Ihre Kunden waren zufrieden, so daß es mit ihrem Ruf – und damit auch ihrer Auftragslage – ständig aufwärts ging. Bislang hatte Schleimbeutel keine seiner wüsten Drohungen wahr gemacht.
Aber selbst bei prall gefüllten Auftragsbüchern arbeitete keine von ihnen länger als sechs Stunden am Tag. Ihre Kunden wollten keine Putzfrauen, die sie morgens aus den Betten warfen oder ihnen abends den Feierabend durcheinanderbrachten. Die naheliegende Lösung wäre gewesen, Büros zu putzen, entweder früh morgens oder spät abends. Aber Harriet hatte es May nicht vorgeschlagen. Sie wußte, daß sie das nicht machen und gleichzeitig noch malen konnte, es wäre darauf hinausgelaufen, daß May die Büros allein in Angriff nahm und sich bis zur völligen Erschöpfung abrackerte.
Außerdem brauchten sie irgendeine Art von Transportmittel, um die unprofitable Zeit zu reduzieren, die sie damit vertrödelten, von A nach B zu kommen. Ohne eine Finanzspritze, fürchtete Harriet, waren sie einfach zu klein, um zu überleben. Auch davon hatte sie May allerdings nichts gesagt. Es wäre einfach zu furchtbar, wenn May ihr Boot nach all ihren Mühen schließlich doch noch verkaufen müßte.
Und Harriet schaffte nicht einmal ihre sechs Stunden am Tag. Sie war die einzige, die sich deswegen Gedanken machte, denn die anderen beiden wußten, Harriet führte die Bücher, gab unschätzbare Ratschläge bei tückischen Härtefällen, und sie hätten es ohne sie niemals schaffen können. Aber Harriet hatte ein schlechtes Gewissen, daß sie mehr und mehr Zeit der Kunst widmete und immer weniger ihrem Job. In den letzten Wochen hatte sie mehrmals Leos Unterricht besucht, was immer einen kompletten Morgen oder Nachmittag in Anspruch nahm.
Harriet zog ein Papiertuch aus ihrer Tasche und verlieh dem Ohrring des Modells mit dem Fingernagel einen feinen Glanz. Gerade noch rechtzeitig, wie sich herausstellte.
»Das war’s«, sagte das Modell. »Ihr hattet eure halbe Stunde, ich brauch’ einen Kaffee.«
Ein einhelliger Seufzer der Erleichterung entrang sich den Kunstschülerinnen im Atelier, und sie legten ihre Kohlestifte beiseite. Der junge Mann stieg in ein Paar Boxershorts, Jeans und Pulli, ehe er Richtung Küche davonspazierte. Harriet folgte ihm. Zu ihren Aufgaben gehörte es auch, die Modelle, die Leo jetzt immer häufiger engagierte, mit Kaffee oder Tee zu versorgen. Leo kam ihnen mit einem Becher in der Hand an der Tür entgegen.
»Würden Sie Jake einen Kaffee machen, Harriet? Ich seh’ mir inzwischen Ihre Arbeit an.«
Wie immer verursachten diese so beiläufig geäußerten Worte Harriet akutes Herzrasen, aber es gelang ihr, Jake ohne erkennbare Nervosität anzulächeln.
»Ist Pulverkaffee okay? Ich fürchte, Leo hat den ganzen Bohnenkaffee schon selbst getrunken.« Ihre wichtigste Pflicht war es, Leo jeden Morgen eine große Thermoskanne starken Costa-Rica-Kaffee zu kochen, die er regelmäßig bis zehn Uhr leerte.
Jake schüttelte den Kopf. »Ganz gleich, Hauptsache heiß.«
»Sie müssen furchtbar frieren bei diesem Job.«
»Stimmt«, sagte er fröhlich. »Aber ich verdien’ sagenhaft gutes Geld damit.«
»Ah ja?« Nicht zum erstenmal wünschte sich Harriet, sie wäre wie May und könnte eine direkte Frage stellen.
Glücklicherweise war Jake stolz darauf, wieviel er mit seinem schönen Körper verdiente, und nannte ihr triumphal seinen Stundensatz.
»Du meine Güte ...« Harriet goß kochendes Wasser auf die Kaffeegranulate. Ich sollte es wirklich tun, dachte sie. Wenn ich für Leo Modell sitze und meine Einkünfte in die Gemeinschaftskasse einzahle, bräuchte ich kein so schlechtes Gewissen zu haben, weil ich zu viel Zeit für die Kunst aufwende. Ich könnte doppelt soviel verdienen wie mit Putzen und würde damit endlich den gleichen Beitrag leisten wie May und Sally.
Aber schon bei dem Gedanken breitete sich eine tiefe Röte über Hals und Gesicht aus und stieg bis in die Haarwurzeln. Sie wußte, sie war nicht dick oder häßlich, aber sie hatte nie gelernt, ihren Körper zu mögen. Seit sie auf dem Boot lebte, hatte sie keine Gelegenheit, ihn zu betrachten. Es war schon schwierig genug, ihn sauber zu halten.
»Ihr habt nicht zufällig ein Plätzchen?« Jake hatte ihr Erröten entweder nicht bemerkt oder war daran gewöhnt, daß er diese Wirkung auf Frauen hatte.
Harriet blinzelte einen Augenblick verwirrt und wies dann auf die Dose. »Da drin sind
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