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Wilde Rosen: Roman (German Edition)

Wilde Rosen: Roman (German Edition)

Titel: Wilde Rosen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katie Fforde
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auf den Zug aufzuspringen?«
    »Wohl kaum. Ich hab’ nur gedacht ...« Sie war froh, als er sie unterbrach.
    »So viel würde ich Ihnen sowieso nicht bezahlen.«
    Vor Erleichterung brach ihr der kalte Schweiß aus. Sie sank wieder auf den Stuhl. »Warum nicht?«
    »Weil Sie eine Frau sind. Männer sind interessantere Zeichenobjekte. Schwerer zu verkaufen, aber aufregender für den Künstler.«
    »Ah ja?« Sie war gewillt gewesen, die größten Qualen auf sich zu nehmen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, und sollte weniger dafür bekommen als dieser junge Kerl, der ohne einen Gedanken daran zu verschwenden die Hüllen fallen ließ und sich schamlos vor aller Augen auf dem Sofa rekelte? »Und das gibt Ihnen das Recht, ihnen weniger für dieselbe Arbeit zu bezahlen?«
    »Ich bezahle, was ich will und wem ich will. Und im Moment will ich ein männliches Modell.«
    »Ist das nicht ein bißchen einseitig?«
    Leo schüttelte den Kopf. »Ich liebe Frauenakte. Wenn es einem gelingt, die Struktur, das Schimmern weiblicher Haut einzufangen, ist es herrlich. Aber wir konzentrieren uns derzeit aufs Zeichnen. Dafür sind die ausgeprägteren Linien männlicher Muskeln interessanter. Vom künstlerischen Standpunkt betrachtet.«
    »Oh.«
    »Außerdem ist Jake ein Profi. Er rührt sich nicht, ihm wird auch nicht kalt, er ermöglicht es dem Künstler, entspannt zu sein. Wenn ich Ihnen das gleiche Honorar biete, würden Sie sich verpflichtet fühlen, es zu tun. Sie hätten auch nicht genug Zeit für Ihre eigene Arbeit und würden sich außerdem so schrecklich dabei fühlen, daß Ihnen alles mißlingt, was Sie zwischendurch zeichnen.«
    »Vielleicht würd’ ich mich ja dran gewöhnen ...«
    Leo schüttelte den Kopf. »Nein. Ich weiß nicht, was in Ihrer Vergangenheit vorgefallen ist, aber ich weiß, daß es Sie nachhaltig belastet. Sie haben ein großes Potential für Schönheit, aber es wird sich nicht entfalten, ehe Sie mit sich ins reine gekommen sind. Eines Tages werde ich Sie vielleicht noch mal bitten, sich für mich auszuziehen, aber vorläufig nicht. Also bleiben Sie lieber dabei zu tun, was Sie gut können, und das ist Putzen. Überlassen Sie das Modellsitzen den Profis.«
    Das Bewußtsein, davongekommen zu sein, und seine Bemerkung über ihr Potential für Schönheit machten sie verwegen. »Und was ist mit Zeichnen? Bin ich darin nicht gut?«
    »Eines Tages vielleicht.« Und sein expressiver Mund verzog sich zu einem Lächeln, herausfordernd und beruhigend zugleich. Sein zynisches, manchmal gar andeutungsweise sadistisches Gesicht wurde mit einem Mal jungenhaft und unwiderstehlich anziehend. »Wenn Sie Ihren Job an den Nagel hängen.«
    Harriet wehrte sich vergeblich. Sie wußte, das Wasser war tief und gefährlich, aber irgend etwas in ihrem Innern machte eine Flugrolle wie ein Pfannkuchen. Ihr Herz begann zu hämmern, und wieder einmal hatte sich eine von Leos Schülerinnen in ihn verliebt. Im Grunde war sie das seit ihrer ersten Begegnung. Nur hatte sie sich bis jetzt geweigert, es sich einzugestehen.
    »Ich glaube manchmal, Sie versuchen, so beleidigend wie nur irgend möglich zu sein.« Irgendwie gelang es ihr, zu dem frotzelnden Ton zurückzufinden, der zwischen ihnen üblich war.
    »Genau so ist es. Wenn man nett zu den Leuten ist, lassen sie einen niemals zufrieden. Also? Werden Sie jetzt mein Scheißhaus putzen, ja oder nein?«
    »Ich käm’ im Traum nicht drauf«, gab sie zurück und tat es natürlich trotzdem.
    Sally fand das Leben auf dem Boot schwierig, und obwohl Harriet und May zusammenrückten und sich alle Mühe gaben, ihr das Gefühl zu geben, willkommen zu sein, war es auf Dauer einfach zu eng für drei Leute.
    Am Ende einer aufreibenden Woche zählten sie Freitag abend ihre Einkünfte. Doch selbst die Tatsache, daß nach Abzug der Kosten für jede von ihnen mehr übrigblieb als in den Wochen zuvor, konnte ihre gedrückte Stimmung nicht heben. Nachdem sie Harriets übliche Apologie wegen der fürs Malen aufgewendeten Zeit mit einem Wink abgetan hatten, erstreckte sich ein langes, kaltes, düsteres Wochenende vor ihnen.
    May wollte eine Bootsfahrt machen, mehr um ihre eigenen Batterien wieder aufzuladen als die des Bootes. Harriet brannte darauf, das Wochenende in der Tate, der National und der Serpentine Gallery zu verbringen, aber sie wußte, wenn sie May nicht ihre Hilfe auf dem Boot offerierte, würde Sally sich verpflichtet fühlen, ganz gleich wie oft May beteuerte, sie komme allein zurecht. Es

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