Wilde Saat
blickten en t setzt zu den schlaf f hängenden Segeln hinauf und sahen einander dann kopfschüttelnd und verständnislos an. Doros Lob wegen der guten Geschwindigkeit, die sie herausho l ten, brachte, sie vollends durcheinander. Dann wa r nte er Isaak in Englisch: »Übertreibe nicht, mein Junge. Erschr e cke sie nicht allzusehr. So weit sind wir nicht mehr von zu Hause entfernt.«
Isaak grinste ihn an und fuhr fort, die Boote mit unve r minderter Kraft flußaufwärts zu treiben.
Felsklippen, Hügel, Berge, Farmland und Wälder, Se i tenflüsse und Anlegestellen, andere Boote und größere Schiffe, Fischer und Indianer … Doro und Isaak, die die s mal als Passagiere mitfuhren, vertrieben sich die Zeit d a mit, Anyanwus Neugierde zu stillen. Sie erklärten ihr die Lan d schaft, nannten ihr die Namen all der zahllosen Dinge, die sie noch nie in ihrem Leben gesehen hatte. Anyanwu besaß ein hervorragendes Gedächtnis und prägte sich mit Leichtigkeit die neuen Begriffe und deren Ausspr a che ein. In den wenigen Tagen der Reise lernte sie sogar einige Worte Holländisch, so daß sie mit den Leuten der Bootsb e satzung reden konnte. Sie war schön, und die holländischen Sklaven widmeten sich voller Eifer Anyanwus Sprachu n terricht, solange Doro, Isaak und ihre Pflichten an Bord es gestatt e ten.
Schließlich erreichten sie »Gilpin«, wie die Kapitäne und ihre Mannschaften Wheatley nannten. Gilpin war der Name, den die ersten europäischen Einwanderer vor sec h zig Jahren der Siedlung gegeben ha t ten. Es war eine kleine, aus mehreren Familien bestehende Gruppe unter ihrem A n führer Pieter Wi l lem Gilpin. Doch die englischen Siedler, die Doro noch vor der Übernahme des Gebietes im Jahre 1664 durch die englische Krone dort hing e bracht hatte, gaben dem Ort seinen alten Namen Wheatley zurück. Wheat, Weizen, war die Hauptg e treidesorte, die auf ihren Feldern angepflanzt wurde, und Wheatley hieß die engl i sche Familie, die Doro besonders unterstützte. Die Whea t leys waren Doros Leute. Schon seit vielen Generationen. Sie verfügten über gewisse, nicht zu problematische Fähi g keiten im B e reich des Gedankenlesens, die vor allem ihrem ausgeprä g ten Geschäftssinn zugute kamen. Und so besaß der alte Jonathan Wheatley – nicht ohne Doros Hilfe natü r lich – inzwischen genau soviel Land wie die Von Renss e laers. D o ros Leute hatten Raum, um sich auszubreiten und zu wac h sen. Allerdings wären sie ohne die Siedlung mitten im Grasland nicht so schnell gewachsen, wie Doro es e i gentlich erwartet hatte. Aus diesem Grund sorgte Doro für Nachschub. Er brachte andere Menschen dorthin, Sonde r linge, Käuze, Hexen. Leute aus Holland, Deutschland, England, zahlreiche Afrikaner und Indianer. Sie e r gaben entweder ein brauchbares Zuchtmaterial oder waren – wie die Wheatleys – für andere Zwecke zu gebrauchen. In all seiner schillernden Buntheit und Unterschiedlichkeit gefiel Wheatley Doro mehr als alle seine anderen Siedlungen in der Neuen Welt. In Amerika war Wheatley sein Zuhause.
Nachdem er von seinen Leuten mit gelassener Freude begrüßt worden war, verteilte er die neuen Sklaven auf mehrere Haushalte. Einige hatten das Glück, daß sie zu Familien kamen, in denen man ihre Sprache sprach. And e re ha t ten keine Stammesgenossen in oder außerhalb der Stadt und mußten sich mit einem unbekannten Haushalt zufrieden geben. Verwandte blieben zusammen. Doro e r klärte allen g e nau, nach welchen Regeln die Verteilung stattfand. Alle wußten auch, daß die Möglichkeit bestand, sich wiederzusehen und sich gegenseitig zu besuchen. Freundschaften, die während der Überfahrt gewachsen waren, sollten nicht plötzlich zu Ende sein. Nur voller Angst, Ungewißheit und Widerwillen lösten sich die Me n schen aus der Verbundenheit ihrer erstaunlich rasch g e wachsenen Schicksalsgemei n schaft. Aber sie gehorchten Doro. Lales Auswahl war gut gewesen. Jeden einzelnen hatte er sorgsam auf seine Fähigkeiten geprüft, hatte gewi s se Beso n derheiten aufgespürt, Ansätze zu irgendwelchen außerg e wöhnlichen Begabungen, wie etwa seiner eigenen. Während Doros Abwesenheit hatte Lale sich jede neue Gruppe von Sklaven, die aus den Wäldern zu Bernard Daly gebracht worden war, genauestens angesehen. Ohne Zwe i fel hatte er manch einen, der sich später als nützlich erwi e sen haben würde, übe r sehen. Lales Talente waren begrenzt, und sein unbeherrsc h tes Temperament stand ihm oft genug bei der Erled i gung
Weitere Kostenlose Bücher