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Wilde Wellen

Wilde Wellen

Titel: Wilde Wellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Sadlo
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seine Wut an den Kopf schleudern wollte.
    Claire schlief ruhig an Leons Seite. Wie hatte er auch nur einen Moment lang denken können, dass sie den Erpresserbrief geschrieben hatte? Er schämte sich für diesen Gedanken. Sie liebte ihn. Und sie hätte auch nichts davon gehabt, ihn zu erpressen. Sie wusste, dass er ihr jeden Wunsch von den Augen ablesen würde. Seine Gedanken kreisten um die Personen, die er kannte. Gab es in seiner Firma jemanden, der ahnen konnte, was damals passiert war? Die Gesichter seiner Angestellten tauchten vor seinen Augen auf. Doch da war keiner, von dem er annehmen konnte, dass er Bescheid wusste. Aber der Erpresserbrief war Realität. Er musste ihn ernst nehmen. Sollte er wirklich die Million zahlen und hoffen, dass damit alles wieder in Ordnung kommen würde? Es war so eine absurde Situation. Oder war nun endlich der Zeitpunkt gekommen, an dem es keine andere Möglichkeit mehr gab, als sich zu stellen? Er stellte sich vor, was passieren würde, wenn er zur Polizei ging und erklärte, was damals wirklich auf der Helena geschehen war. Er würde verhaftet werden. Gut, vielleicht würde ihn sein Anwalt davor zu bewahren versuchen, in Untersuchungshaft zu kommen. Aber in so einem Fall? Man würde ihn des Mordes anklagen. Des zwölffachen Mordes. Natürlich würden sie ihn verhaften. Und natürlich würde er die Zeit bis zum Prozess in Untersuchungshaft sitzen. Und danach? Das Unglück war so lange her. Das Schiff lag auf dem Meeresgrund. Es gab keine Beweise für seine Tat. Aber wenn es wirklich keine Beweise gab, wovor hatte er dann Angst? Vor Michel. Michel war das Problem. Der Mann, der überlebt hatte. Der wusste, wie es zu dem Untergang gekommen war. Wenn Michel gegen ihn aussagte … Wer konnte davon wissen? Wer konnte damit rechnen, dass Michel die Wahrheit sagen würde? Marie? Das würde bedeuten, dass Michel doch mit ihr über alles geredet hatte. Aber Marie war Polizistin. Sie würde ihn nicht erpressen. Wenn sie alles gewusst hätte, hätte die Polizei schon längst vor seiner Tür gestanden. Leon hielt es nicht im Bett. Als er durch das spärlich beleuchtete Treppenhaus nach unten zum Salon ging, flirrte ein Kinderlachen durch den Raum. Caspar rutschte jauchzend das lange hölzerne Treppengeländer hinunter.
    Caspar, mach das nicht. Das ist viel zu gefährlich. Wie oft hatte Claire unten an der Treppe gestanden. Sie hatte es Caspar strikt verboten, das Geländer herunterzurutschen. Was, wenn er das Gleichgewicht verlor und nicht auf die Treppen, sondern auf die andere Seite in die Tiefe stürzte. Caspar hatte gelacht und vor Lust geschrien. Der kleine Junge konnte die Angst seiner Mutter nicht verstehen. Es kitzelte doch so toll im Bauch, wenn er mit Höchstgeschwindigkeit ins Erdgeschoss raste.
    Sag du ihm, dass er das lassen soll. Claire hatte ihn angefleht, den Kleinen zur Vernunft zu bringen. Aber Leon hatte es nie über sich gebracht, diesem strahlenden Kind, das wieder Licht in sein Leben gebracht hatte, irgendetwas zu verbieten. Er hatte ihn aufgefangen, ihn herumgewirbelt, dicke prustenden Küsse auf den weichen Kinderbauch gedrückt. Und Caspar hatte die Ärmchen um den Hals seines Vaters geschlungen und glucksend vor Vergnügen geschrien.
    Noch mal, Papa, noch mal. Wie lange waren diese glücklichen Zeiten schon vorbei?
    Â»Kann ich auch einen haben?« Leon lachte leise auf, als er die Stimme seines Sohnes hörte. Er schenkte ihm ein Glas Cognac ein, reichte es ihm. Er war ein Mann geworden, dieser kleine, glückliche Junge. Ein hübscher und, wie sich jetzt herausgestellt hatte, auch verantwortungsbewusster Mann.
    Sie ließen die Gläser aneinanderklingen.
    Â»Santé, Papa.«
    Â»Auf dein Wohl, mein Junge.«
    Sie setzten sich gegenüber in die tiefen Sessel, tranken den Cognac. Schwiegen.
    Â»Ich wollte dir noch sagen, dass ich froh bin, dass du …«
    Â»Schon gut. Ich mache es gern.«
    Leon lächelte.
    Â»Trotzdem, ich muss dir sagen, dass es mich freut, wie du dich entwickelst. Ehrlich gesagt, ich hätte nicht gedacht, dass du dich so schnell einarbeiten würdest. Es sieht ganz so aus, als würde dir die Arbeit in der Firma Spaß machen.«
    Caspar nickte. Spaß, na ja, Spaß war was anderes. Aber er wollte seinen Vater nicht kränken. Im Gegenteil, eigentlich freute er sich, dass Leon mit ihm zufrieden war.
    Â»Wenn das so

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