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Wilde Wellen

Wilde Wellen

Titel: Wilde Wellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Sadlo
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spiegelten das zurückgenommene Leben der Bretonen in der kalten Jahreszeit wider. Den Schlaf, in den Mensch und Natur zu fielen schienen. Sie erzählten von einsamen Seelen, von Vergänglichkeit, von der Sehnsucht nach Wärme und Licht. Und genau dieses Licht und die Wärme und eine überschäumende Lebendigkeit prallten nun aus den neuen, starkfarbigen, sehr expressiven Bildern auf die begeisterten Gäste. Sabine, die sich nicht sicher gewesen war, wie ihre neue Malerei bei ihren Fans ankommen würde, wurde mit Glückwünschen überhäuft. Schon eine Stunde nach ihren Begrüßungsworten war ein Drittel der Bilder verkauft. Eva Menec beobachtete ihre Mutter, wie sie sich lächelnd und plaudernd ihren Gästen widmete. Dem einen ein paar Sätze zu einem Bild sagte, das ihm gefiel, für den anderen fürsorglich ein Schüsselchen Fischsuppe von Michels Büfett holte. Wie oft hatte Eva sich gewünscht, mehr von dem geduldigen und freundlichen Interesse zu haben, das ihre Mutter seit jeher allen Menschen um sie herum entgegenbrachte. Wer mit Sabine du Maurier redete, hatte in dem Moment das Gefühl, der einzige Mensch zu sein, der für sie wichtig war. Ihre Bewunderer fühlten sich in jeder auch noch so naiven Frage, die sie an die Künstlerin hatten, ernst genommen. Nie verlor Sabine die Geduld. Nie ihre liebenswürdige Aufmerksamkeit.
    Â»Die Ausstellung scheint ein Erfolg zu werden.« Marie hielt Eva ein Tablett mit kleinen Blaubeertörtchen hin.
    Â»Dabei war sie ziemlich unruhig, weil sie nicht wusste, ob ihre Fans ihre Hinwendung zu diesen starken Farben mitmachen würden.« Sie nahm sich eins der Törtchen. Marie reichte ihr eine Serviette.
    Â»Ich war ja auch skeptisch gewesen, als ich die Mails gelesen habe, die sie aus Mexiko geschickt hatte. Sie hat so von den leuchtenden Farben geschwärmt, vom lärmenden Leben, sogar die für unsereinen unerträgliche Hitze schien sie einfach nur zu inspirieren. Ich erkannte sie gar nicht wieder.« Sie sah zu ihrer Mutter, die gerade mit dem Bürgermeister von Brest vor einem Bild stand, das einen gelben Papagei zeigte, und lächelte. »Ehrlich gesagt, ich war mir nicht sicher, ob mir diese neuen Sabine du Mauriers gefallen würden. Ich war einfach schon immer ein großer Fan ihrer melancholischen Meerbilder.«
    Marie lächelte. Sie konnte Eva verstehen. Als sie in Michels Wohnzimmer zum ersten Mal ein kleines Bild von Sabine gesehen hatte, hatte es sie sofort in der Seele berührt.
    Â»Dabei ist sie ein durch und durch fröhlicher Mensch. Manche Leute wollen es gar nicht glauben, wie sehr meine Mutter dem Leben zugewandt ist. Sie erwarten eine ernste, in sich gekehrte, vielleicht auch traurige Frau und finden dann diese sprühende, lebenslustige Schönheit vor.« Mit einem leichten Seufzer widmete sie sich dem nicht ganz einfachen Unterfangen, das Blaubeertörtchen zu essen, ohne dass die Beeren über ihre schicke weiße Seidenbluse kullerten, wo sie zweifellos unauslöschliche Spuren hinterlassen hätten.
    Als Marie vor ein paar Stunden mit Michel das Büfett aufgebaut hatte, war Eva plötzlich in der Tür gestanden. Zu Sabines großer Überraschung hatte sie sich spontan entschlossen, ihre Mutter aus Anlass der Vernissage zu besuchen. Sabine war einen Moment lang sprachlos gewesen vor Freude. Eva war in ihrem Job als Bankerin in einer internationalen Bank, die ihren Sitz in Frankfurt hatte, so eingespannt, dass sie nicht oft die Zeit fand, ihre Mutter zu besuchen. Umso glücklicher war Sabine über Evas spontanen Besuch jetzt zu dieser für sie so aufregenden und wichtigen Ausstellung. Arm in Arm waren sie durch das Atelier geschlendert. Hatten sich zusammen Sabines Bilder angesehen; hin und wieder hatte Eva ihre Mutter herzlich umarmt. Ihre blauen Augen hatten um die Wette geleuchtet, ihr Lachen den Raum erfüllt. Obwohl sie sich äußerlich gar nicht so ähnlich waren – Sabine war eher klein und zart, eine elfenhafte Schönheit mit ihren rötlichen Haaren, Eva dagegen war eine große, sportlich durchtrainierte Frau mit einem Wust von dunklen Locken, die sie in einem lässigen Knoten gebändigt trug –, gab es viel, was Mutter und Tochter gemeinsam hatten. Der ovale Schnitt des Gesichts, die großen, blauen Augen mit den geraden Augenbrauen darüber, die eher tiefe Stimme und das gurrende Lachen, das tief

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