Wilde Wellen
längst akzeptiert, Maman.«
»Aber es kränkt dich. Und sag jetzt nicht, dass das nicht stimmt. Ich weià ganz genau â¦Â«
»Können wir es nicht einfach dabei belassen, dass mein Vater sich für eine andere Familie entschieden hat?«
Sabine wusste, dass es keinen Sinn hatte, weiter auf diesem Thema zu bestehen. Evas Gesichtsausdruck war genauso trotzig wie damals, als sie ihr gesagt hatte, dass Leon und Claire geheiratet hatten. Keine Träne war über das Gesicht der Zwölfjährigen geflossen. Sie hatte ihre Mutter nur mit einem vor lauter Schmerz und Trotz zur Grimasse erstarrten Gesicht angestarrt und herausgestoÃen, dass es ihr egal sei, mit wem ihr Vater sein Leben verbringe.
»Es ist einsam um ihn geworden nach Célines Tod. Eine vertraute Freundin zu verlieren ist schmerzhaft.«
»Er hat immer noch Claire. Und Caspar.«
»Wer hat mich?« Caspar tauchte schwankend aus der Dunkelheit aus. Er sah nicht mehr so cool und schick aus wie am Anfang des Abends. Sein Hemdkragen stand offen, die Krawatte baumelte aus seiner Jackentasche. Seine Haare standen ungebändigt von seinem Kopf ab. Mit glasigen Augen grinste er Eva an.
»Mich hat keiner, Schwesterlein. Ich bin ein freier, unabhängiger Mann.« Als er die Rotweinflasche, die er locker in der Hand hatte, zum Mund führen wollte, fiel ihm Sabine in den Arm.
»Ich würde sagen, du hast genug gehabt für heute.«
Sie wollte ihm die Flasche aus der Hand winden, doch Caspars Griff war fest. Er legte den Arm um Sabine.
»Schönste Künstlerin, deine Bilder sind spitzenklasse. Ich werde Vater vorschlagen, ein paar zu kaufen. Das mit dem Bandoneonspieler könnten wir in meinem Büro aufhängen.« Sabine konnte nicht verhindern, dass er einen langen Zug aus der Flasche nahm.
»Ich meine natürlich in Célines Büro. Vielleicht vertreiben die Farben ja den dunklen Geist, der da immer noch haust.«
Er lieà sich auf die Bank zwischen den beiden Sesseln fallen.
»Kennt ihr das, dass ihr in einen Raum kommt und da ist immer noch der Geruch des Vorgängers drin? Und so viel man die Fenster aufreiÃt und lüftet, so viel man raucht und kifft, er will einfach nicht weichen.«
Eva nahm seine Hand.
»Ich bring dich nach Hause, Caspar. Du musst morgen doch wieder fit sein.«
»Morgen muss ich fit sein. Und ich sag dir, ich werde fit sein. Fitter als je zuvor. Weil, Schwesterlein, morgen der wichtigste Tag in meinem Leben ist. Und natürlich muss man da fit sein. Wäre ja fatal, wenn man es nicht wäre.«
Er hörte nicht auf, vor sich hin zu reden, als Eva ihn sanft, aber entschlossen mit sich zog.
Als sie zu Caspars VW-Bus kamen, begegneten sie Michel und Marie, die gerade dabei waren, die Platten und das Geschirr in Michels Auto zu laden. Als Caspar die beiden sah, machte er sich aus Evas Griff los.
»Marie, schönster Stern dieser Nacht.« Er wollte nach ihr greifen, doch er schwankte so sehr, dass Michel ihm hastig unter die Arme griff. Caspar wollte sich losmachen.
»Lass mich, Michel. Ich muss Marie küssen. Seht ihr diese Milliarde Sterne da oben. In so einer Nacht muss man den allerschönsten Stern doch küssen. Marie, sei meine Königin der Nacht.«
Marie lachte auf. Sie wehrte Caspars taumelnden Versuch, seine Lippen auf die ihren zu drücken, ab, schob ihn zu seinem VW -Bus. »Du gehörst ins Bett, Caspar. Schlaf deinen Rausch aus. Und wundere dich morgen nicht, wenn dir der Kopf platzt.«
Gemeinsam mit Eva bugsierten sie den betrunkenen Jungen auf den Beifahrersitz.
»Falsche Seite«, stammelte er. »Da komm ich nicht ans Gaspedal.«
»Es reicht, wenn ich ans Gaspedal komme.« Eva setzte sich auf den Fahrersitz.
»Das kann ich doch machen«, bot Michel an. Es war doch völlig unnötig, dass Eva die Strecke zum Schloss fuhr. Es lag doch auf der Strecke nach Concarneau. »Ich fahre Caspars Auto, und Marie fährt hinter mir her. Gar kein Problem.«
Sie hatten nur noch ein paar Schüsseln und eine Kiste mit leeren Weinflaschen einzuladen, dann würden sie auch schon losfahren können. Eva war ihnen im Grunde dankbar, dass sie nicht mitten in der Nacht noch in der Gegend fahren musste.
»Wenn euch das nicht zu viel ist? Ich meine, ihr habt so viel geschuftet heute, da ist es eigentlich eine Zumutung, dass ihr euch auch noch um unsere Gäste kümmern
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