Wilde Wellen
gestritten.«
»Und dann war da plötzlich diese Frau?«
Michel konnte es nicht fassen, wie leicht es ihm fiel, Leons Lügengebäude weiterzubauen. »Sie machte Urlaub in St. Martin. Sie fand mich toll. Sie fand mein Restaurant toll. Sie war lustig und unkompliziert. Sie hat mich bewundert. Und mir hat das geschmeichelt. Ich war ein Idiot. Ich hätte wissen müssen, dass ich alles aufs Spiel setze ⦠Glaubst du mir, wenn ich dir sage, dass ich in meinem Leben nichts mehr bereut habe als diesen einen furchtbaren Fehltritt?«
Marie wollte nichts mehr hören. Sie wollte nur allein sein und über das, was sie eben erfahren hatte, nachdenken. Natürlich hatte ihr Vater ihr das nicht sagen können, als er sie aus dem Krankenhaus geholt hatte. Was hätte es für ein schlechtes Licht auf ihn geworfen? Er hatte doch nur Angst haben können, dass sie gleich wieder aus seinem Leben verschwinden würde, wenn sie das erfuhr.
Michel musste Marie gehen lassen. Sie wollte nicht bei ihm wohnen. Sie sagte, dass sie nicht wisse, was jetzt passieren
würde.
»Aber eines kannst du mir doch sagen ⦠Bitte, Marie â meinst du, es gibt ein kleines Fünkchen Hoffnung für uns?« Sein Blick war ein einziges Flehen. Das sie tief in ihrem Inneren berührte. Aber was daraus werden würde, das wusste sie in diesem Moment nicht.
Caspar warf gerade ein paar der Pillen ein, die er gestern in dem Club von seinem Freund Emile bekommen hatte. Gleich würde die Welt wieder lustig und bunt sein. Die Wellen würden psychedelisch glänzen, sein Board würde sich anfühlen wie eine Rakete. Seine Sprünge würden ihn bis an den Rand des Himmels tragen. Und Marie würde ihn lieben. Marie? War es eine Illusion, oder kam sie wirklich den Strand entlang? Sie war es wirklich. Schön wie eine Madonna mit ihrem leuchtenden kleinen Gesicht. Um ihren Körper strahlte eine silberne Aura. Diese Frau war nicht von dieser Welt.
»Caspar.« Marie freute sich wirklich, ihn zu sehen. Er schien ihr der einzige Mensch in dieser Gegend zu sein, der nichts vor ihr verbarg. Als er sie in seine Arme riss und überschwänglich küsste, lieà sie es lachend zu.
»Meine Königin, meine Göttin, du bist zu mir zurückgekommen.« Sie lachte über Caspars übertriebene Freude. Ein bisschen irre war er wohl schon. Aber wieso nicht? Lieber lebenslustig und ein bisschen durchgeknallt als ein Lügner. So wie Michel. Und Paul. Der ihr nichts davon erzählt hatte, dass er eine Freundin hatte.
»Soll ich ein Lagerfeuer machen? Oder willst du tanzen gehen? Wir könnten auch ausreiten; ein Freund meines Vaters hat ein Gestüt ganz in der Nähe.« Er sprudelte über vor verrückten Einfällen.
»Hat dein Vater auch einen Freund mit einem Hotel? Ich brauche ein Zimmer.«
»Du kannst im Schloss schlafen. Wir könnten zwei FuÃballmannschaften dort unterbringen, so viele Zimmer haben wir da.«
»Lieber nicht. Es hat nichts mit dir zu tun. Es ist nur ⦠Ich glaube, ich brauche meine Ruhe.« Caspar nahm sie an der Hand.
»Komm, ich hab eine supertolle Bleibe für dich.«
»Die Yacht deines Vaters?« Marie starrte die luxuriöse Yacht an, die im Hafen von Concarneau lag. »Ich weià nicht ⦠Ich glaube, das will ich nicht.«
»Quatsch. Das ist die beste Lösung. Du hast Platz, du bist allein. Und wenn du Lust hast, rufst du mich an und wir segeln los.«
»Aber wenn dein Vater morgen â¦Â«
»Mein Vater ist seit Jahren nicht mehr mit der Yacht drauÃen gewesen. Ich glaube, er hält sie sich nur, weil sich so was für einen Mann in seiner Position gehört.«
Er machte mit ihr einen Rundgang durch das luxuriös und mit alle Schikanen ausgestattete Boot und versicherte ihr, dass niemand etwas dagegen hätte, wenn sie ein paar Nächte bleiben würde. Sie solle sich häuslich einrichten, er würde sofort lossprinten und ein paar Sachen zum Essen holen. Bevor Marie etwas einwenden konnte, hatte er ihr einen festen, ziemlich fordernden Kuss auf den Mund gedrückt und war von Bord gesprungen.
Okay â ein, zwei Nächte könnte sie ja hier schlafen. Bis sie sich entschieden hatte, wie es weitergehen sollte. Marie seufzte leise und sah aufs Wasser. Irgendwo dort, wo im Dunst Meer, Himmel und Land miteinander verschmolzen, lag auf einer Klippe Pauls Haus. Ob er jetzt mit Sara
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