Wilder als der Hass, süsser als die Liebe
unserer Lage finden kann«, sagte Ross bedauernd. »Ich denke, jetzt muß ich mich entschuldigen. Du hast recht, es war ziemlich gemein, dir auf diese Art meine Meinung klarzumachen. Wenn es dich irgendwie tröstet: Damit aufzuhören war mindestens genauso grausam.«
»Zumindest hast du es geschafft, nicht den Kopf zu verlieren, im Gegensatz zu mir. Und dafür muß ich dir danken.« Nun zog sie ihren Schleier herunter und schüttelte auch diesen aus. »Da wir endlich damit fertig sind, unsere Nerven zu strapazieren, könnten wir eigentlich zum Lager zurückkehren.«
Bevor sie sich den Tagelmoust wieder feststecken konnte, legte ihr Ross einen Arm um die Schultern und zog sie an sich, um ihr einen herzhaften Kuß auf die Wange zu drücken. »Habe ich schon erwähnt, daß du die bewundernswerteste, nervenaufreibendste Frau bist, die ich je kennengelemt habe?«
»Während du, o Gentleman, einen Heiligen in einen Gewaltverbrecher verwandeln kannst - und ich bin noch nicht mal heilig.«
»Ich denke, heilig zu sein ist langweilig, und das kann man von dir nicht behaupten«, sagte er amüsiert.
Dann machten sie sich in angenehmem Schweigen auf den Weg zurück ins Lager. Doch nachdem sie eine Weile durch die stillen Dünen gewandert waren, merkte Juliet, wie ihr Wohlgefühl verebbte und durch ein ängstliches Frösteln ersetzt wurde. Was würde die Zukunft noch bringen?
Schließlich erkannte sie, daß es nicht die körperliche Lust war, über die sie sich Sorgen zu machen brauchte. Der Sandsturm hatte etwas weit Gefährlicheres hervorgebracht: eine emotionale Nähe, die verführerischer als alle Küsse war.
Kapitel 15
Die letzte Etappe ihrer Reise gestaltete sich recht lebhaft, denn Ross' Identität war nun alles andere als ein Geheimnis. Die Geschichte vom Buskaschi und seiner Mission in Buchara war den Reisenden vorausgeeilt, und als sie den breiten Oxus-Fluß überquert und durch bevölkertes Gebiet zogen, kamen die Leute von weit her, um sich den Ferengi anzusehen. Die usbekischen und turkmenischen Besucher waren sehr neugierig, und viele wollten Ross' blondes Haar berühren.
Allerdings waren nicht alle, die kamen, freundlich gesinnt. Die letzte Nacht, bevor die Karawane Buchara erreichen sollte, lagerte sie in der Karawanserei von Karakul. Als Ross und seine Gefährten ihre abendliche Mahlzeit einnahmen, kam ein abgerissener, rattengesichtiger Usbeke über den Hof zu ihnen, setzte sich und starrte sie an.
Saleh, der dachte, der Mann hätte Hunger, sprach ihn an. »Willst du uns die Ehre bereiten, unser karges Mahl mit uns zu teilen?« Der Besucher spuckte aus. »Ich werde mich nicht entwürdigen, Brot und Salz mit einem Ferengi-Spion und seinen Kötern zu teilen. Ich bin nur hier, weil es wohl die letzte Möglichkeit ist, mir einen Ungläubigen anzusehen.«
»Guck, so viel du willst«, erlaubte Ross milde.
Der schlitzäugige Blick des Usbeken glitt zu Ross. »Morgen trefft ihr auf die Reiter des Emir. Sie werden Körbe tragen, in denen sind Tücher, um euch die Augen zu verbinden, Ketten, um euch zu fesseln, und Messer, um euch zu zerlegen«, erklärte er mit deutlicher Vorfreude. »Du bist ein Sohn des Todes, Ferengi.«
»Sind nicht alle Söhne der Menschheit auch Söhne des Todes?« Ross biß gelassen von seinem Brot ab. Er hatte schon vor längerer Zeit gelernt, daß Frömmelei die beste Verteidigung für solche verbalen Angriffe war, und setzte nun hinzu: »Nur in Gott findet ein Mann ewiges Leben.«
Der Usbeke funkelte ihn an. »Das Paradies ist nur für die Gläubigen, Ferengi-Schwein. Morgen wirst du in der Hölle zu Abend essen.« Er hob sich auf die Füße und stolzierte davon.
Ross schluckte den Rest Brot hinunter und fragte herausfordernd in das Schweigen hinein: »Möchte irgend jemand Wetten darauf abschließen, ob dieser unangenehme Zeitgenosse die Wahrheit gesagt hat, oder was wohl sonst morgen geschehen wird?«
Juliet, die sich mehr zu Wort gemeldet hatte, seit Murad wußte, wer sie war, sagte ätzend: »Was sollen wir mit einem Mann wetten, der wahrscheinlich keine Gelegenheit bekommt, seine Schulden zu bezahlen.«
»Britischer Humor ist ziemlich seltsam«, bemerkte Murad und warf ihr einen mißbilligenden Blick zu. »Aber egal, denn dieser Sohn eines Schweines hat gelogen. Woher soll einer wie der die Pläne des Emirs kennen?«
»Ja, wahrscheinlich hat er die Geschichte erfunden, um meine Nachtruhe zu ruinieren. Wie auch immer . . .« Ross wischte sich Krümel aus seinem Schoß.
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