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Wilder als der Hass, süsser als die Liebe

Titel: Wilder als der Hass, süsser als die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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»Wenn morgen irgendein Offizier des Emirs mit einem Korb auf die Karawane zukommt, dann will ich, daß ihr drei euch  von mir entfernt. Wenn ich zerlegt werde, brauche ich keine Gesellschaft.«
    Ross warf Murad einen Blick zu. Vor einigen Tagen hatte er den jungen Mann beiseite genommen und ihn überzeugt, daß es eine ehrenvolle Tat wäre, die Frau seines Herrn zu retten und zu beschützen, sollte ihm irgend etwas zustoßen. Murad erinnerte sich jetzt, wie beabsichtigt, an das Gespräch und nickte.
    Dann fing Ross Juliets Blick auf und wiederholte: »Im Zweifelsfalle werdet ihr Abstand halten.«
    Noch widerwilliger als Murad nickte sie schließlich auch, dann wandte sie den Blick ab. Zufrieden schenkte Ross sich Tee nach. Wenigstens konnte er auf Salehs gesunden Menschenverstand  zählen.
    Während er an seinem Becher nippte, dachte er darüber nach, wie die Ereignisse im Sandsturm die Beziehung zwischen ihm und Juliet verändert hatten. Wie sie es vorausgesehen hatte, war das Bekenntnis der gegenseitigen Anziehungskraft reinigend gewesen und hatte die Lage verbessert - zumindest in gewisser Weise. Ross gab sich keine Mühe mehr, seine Gefühle ganz und gar zu verbergen, und sie konnten entspannter miteinander umgehen. Doch wie ebenfalls vorhergesehen, war die Situation auch komplizierter geworden, denn das schwelende Verlangen hatte sich gesteigert. Er konnte nicht beurteilen, was dümmer gewesen war: Sie zu küssen oder damit aufzuhören, obwohl sie sich warm und willig gezeigt hatte.
    Er hatte ihr eine Lektion verpassen wollen, und statt dessen hatte er sich selbst fast erledigt.
    Als er den Tee ausgetrunken hatte, seufzte er und tröstete sich mit dem Gedanken, daß seine Lust auf Julie zumindest etwas Gutes hatte - er wurde hervorragend von dem Gedanken abgelenkt, ob er am nächsten Tag wie ein Opferlamm zerfleischt werden würde. Obwohl keiner seiner Gefährten dieses mögliche Schicksal auch nur andeutete, war die unterschwellige Spannung doch den Rest des Abends vorhanden. Bisher hatte die Natur den Reisenden schon manche angstvolle Stunde beschert, doch ab morgen würden die Feinde menschlich und weit gefährlicher sein.
    Nach einer rastlosen Nacht stand Ross am nächsten Morgen auf, um die englischen Kleider anzuziehen. Wie er Juliet schon in Serevan erklärt hatte, würde jeder Einfluß, auf den er hoffen konnte, nur aus seinem Status als Landsmann und Verwandter Ians entstehen. Und seine Hosen, sein weißes Hemd und sein gutgeschnittener blauer Rock verrieten auf den ersten Blick, daß er Europäer war. Er zog sogar seinen schwarzen englischen Hut auf, den er nur eingepackt hatte, weil er sich unbeschadet zusammenfalten ließ.
    Der rattengesichtige Usbeke mußte seine Geschichte in der ganzen Karawane umhergetragen haben, denn die meisten Reisenden hielten Abstand zu Ross. Einige taten es unauffällig, während andere vor ihm zurückscheuten, als hätte er die Pest am Hals. Bei dem Ruf des Emirs für seine willkürliche Brutalität, konnte Ross  es ihnen nicht einmal verdenken.
    Dennoch verstrich der erste Teil der Tagesreise ereignislos. Gegen Mittag hatten sie die Wüste hinter sich gelassen und ritten eine schattige, mit Pappeln gesäumte Straße entlang. Das Land war absolut flach, und fruchtbare Obstplantagen und Felder erstreckten sich, soweit das Augen sehen konnte. Nach der Kargheit der Karakum erschien das Land sowohl reich als auch bevölkert, denn auf der Straße floß ein steter Strom Verkehr in beide Richtungen, wobei schwer beladenen Ponys mit gelangweilten Eseln und wackeligen Karren wetteiferten.
    Sie hatten das Dorf Shahr Islam passiert und waren nun nur noch sechs Meilen von Buchara entfernt, als Ross eine große Staubwolke weit vor ihnen ausmachte. Da es ungewöhnlich war, in der Mittagshitze schnell zu reiten, wandte er sich an Murad, der die besten Augen von ihnen besaß. »Kannst du ausmachen, was für eine Gruppe da auf uns zukommt?«
    Der Perser beschattete seine Augen und blinzelte im gleißenden Sonnenschein. »Drei Männer. Die Kleidung zeichnet sie als königliche Kämmerer aus. Und zwei haben Körbe bei sich.«
    Ross' Muskeln spannten sich an. Bis zu diesem Zeitpunkt war es immer noch möglich gewesen, umzukehren, doch nun gab es kein Zurück mehr. Wenn die Männer in der Ferne wirklich königliche Kämmerer waren und seinetwegen kamen, dann gab es eine winzige, aber sehr reale Möglichkeit, daß er in der nächsten halben Stunde getötet wurde. Ross zog das allerdings

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