Wilder als der Hass, süsser als die Liebe
ihn als englisches Zeichen des Respekts in der linken Hand und tat dann, was man ihm gesagt hatte. In Ermangelung eines Bartes, mußte er über sein Kinn streichen, doch seine Verbeugungen waren tief und schließlich rief er »Allah Akbar, Salaamat Padisha« mit voller, tönender Stimme.
Als er sich von seiner letzten Verbeugung aufrichtete, blickte er dem Emir direkt ins Gesicht. Nasrullahs Augen waren klein und ziemlich rund, und seine Wangenmuskeln zuckten heftig. Nichtsdestoweniger besaß er eine Ausstrahlung der Macht, die ihm absolute Autorität verlieh, dazu eine seltsame, undefinierbare Aura, der ganz ihm eigen war. Man behauptete, daß seine vier persischen Frauen ihn haßten.
Mit hoher, schneller Stimme begann der Emir nun: »Ihr ehrt uns durch Eure Anwesenheit, Lord Kilburn. Seid Ihr in einer Mission der englischen Königin, unserer königlichen Schwester, gekommen?«
Nasrullah wußte sehr gut, warum sein Besucher gekommen war, aber Ross spielte das Spiel mit. Er verbeugte sich noch einmal tief. »Nein, ich bin nicht in offiziellen Angelegenheiten gekommen, sondern um Eure großartige Barmherzigkeit für meinen Bruder, den britischen Major Ian Cameron, zu erbitten.« Der Emir hob seine Hand, bevor Ross mehr hinzufügen konnte. »Mir wurde gesagt, daß Ihr ein Geschenk für mich mitgebracht habt.«
»Es ist kaum Eurer würdig.« Juliet trat vor, und Ross nahm die Pistolenkiste aus der Lederumhüllung und öffnete sie dann für den Emir. »Ich bitte Euch innig, Euch herabzulassen, diese lächerliche Gabe anzunehmen.«
Nasrullahs Augen weiteten sich in echter Freude, dann stieß er einen kleinen Seufzer aus, wie ein Kind, das endlich die lang ersehnte Süßigkeit erhält. »Exquisit.« Er nahm eine Pistole in die Hand und strich beinahe zärtlich mit den Fingern über die schimmernde Oberfläche.
»Kommt. Ich will sie ausprobieren.« Er erhob sich und rauschte gebieterisch aus dem Saal.
Ross, Juliet und die Höflinge folgten ihm nacheinander. Im Innenhof war ein bezaubernder Garten angelegt, in dessen Zentrum ein Springbrunnen aus rosafarbenem Marmor plätscherte und schattige Palmen sich hoch über Beete leuchtender Nelken und Rosen erhoben. Ross inhalierte tief und bemerkte den unterschwelligen Duft von Patschuli über dem Blütenaroma, und er nahm an, daß der Springbrunnen parfümiert war.
Über ihren Köpfen rauschten die Palmwedel und knisterten trocken, als Nasrullah anhielt und seinem Gast befahl, die Pistolen zu laden. Ross war darauf vorbereitet gewesen, und so enthielt das Kästchen auch kleine Dosen Schwarzpulver und Bleikugeln. Nachdem er eine abgemessene Ladung Pulver in den Lauf geschüttet hatte, stopfte er jeweils eine Kugel darauf, streute Zündpulver in die Pfannen und reichte dem Emir die Waffen zurück.
Ohne sich mit Zielen aufzuhalten, schoß der Emir auf den Brunnen. Die schwere Kugel krachte gegen den Marmor und prallte ab, als parfümiertes Wasser aus dem Becken herauszutröpfeln begann. »Herrlich! Herrlich!«
Die Höflinge husteten in dem beißenden Qualm, doch Nasrullah tauschte die Pistolen aus und feuerte die zweite ab, wobei er diesmal ein Büschel scharlachroter Nelken wegpustete. »Wundervoll!«
Als Ross nachlud, murmelte der Emir schelmisch: »Natürlich kann man eine Waffe nur richtig ausprobieren, wenn man die Aufgabe ausführt, für die sie geschaffen worden ist.« Er hob eine der nachgeladenen Pistolen und setzte hinzu: »Die Aufgabe einer Waffe ist es, Feinde zu töten.«
Alarmiert von dem Unterton unseligen Vergnügens in der Stimme des Herrschers, machte Ross sich auf Schwierigkeiten gefaßt. Doch nichts hätte ihn auf die entsetzliche Furcht vorbereiten können, die er empfand, als der Emir herumwirbelte und die Pistole direkt auf Juliets Kopf zielte.
Kapitel 16
Einen endlosen, furchtbaren Augenblick starrte Juliet auf die tödliche schwarze Mündung der Pistole. Unter so gut wie jedem anderen Umstand wäre sie in Deckung abgetaucht, während sie ihr eigenes verborgenes Messer gezogen hätte. Doch hier, im Palast des Emirs, umgeben von seinen Wachen, wagte sie es nicht, denn eine Flucht wäre unmöglich gewesen, und alles, was sie tun würde, konnte Ross' Leben gefährden.
Dann schob sich die breitschultrige Gestalt ihres Mannes vor das Bild der Waffe, als Ross zwischen sie und den Emir trat. Mit einer Stimme, die nur einen Hauch von Vorwurf enthielt, sagte er: »Bei meinem Volk wird es als ernster Bruch der Etikette betrachtet, den Sklaven eines
Weitere Kostenlose Bücher