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Wilder als der Hass, süsser als die Liebe

Titel: Wilder als der Hass, süsser als die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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Mannes ohne Grund zu töten.«
    Juliet hörte ein lautes, enervierendes Gelächter, das durch das Krachen eines weiteren Pistolenschusses gekrönt wurde. Einen qualvollen Augenblick glaubte sie schon, Nasrullah habe auf Ross geschossen, aber einen Sekundenbruchteil später regneten Palmwedelfetzen auf sie hinunter.
    »Gott möge behüten, daß ich die Bräuche eines Gastes verletze«, sagte der Emir großzügig. »Ihr habt recht. Es ist weitaus höflicher, einen von meinen Sklaven umzubringen.«
    Mit immer noch wild hämmerndem Herzen wich Juliet langsam zurück zu der nervösen Ansammlung der Höflinge und bewegte sich gleichzeitig etwas zur Seite, damit sie besser sehen konnte, was geschah. Jene Höflinge, die glücklich genug waren, hinten in der Menge zu stehen, waren bereits davongehuscht.
    Nasrullah überblickte abwägend die Leute im Hof. »Wer von diesen Schakalen hat den geringsten Wert für mich?« Sein Blick fiel auf einen Jungen, der mit einem Messingtablett voll frischem Obst gerade in den Hof gekommen war. Juliet nahm an, der Bursche benutzte den Hof als Abkürzung zu einem anderen Teil des Palastes.
    »Du, Junge!« Der Herrscher winkte mit der Pistole zur gegenüberliegenden Seite des Hofes. »Stell dich da rüber!«
    Das Kind war nicht älter als zehn und vermutlich persischer Herkunft. Sofort erfaßte es, was der Emir vorhatte, keuchte entsetzt auf und ließ das Tablett fallen. Die Messingplatte traf mit einem hohlen Gongschlag auf dem Boden auf, und Früchte purzelten und rollten in alle Richtungen. Der Junge versuchte zu fliehen, aber zwei Wachen hielten ihn augenblicklich auf.
    Als die eine Wache das erwählte Opfer zur anderen Seite des Hofes zerrte, nahm die andere den Turban des Kindes ab und riß den Stoff in zwei Streifen. Dann banden sie den Jungen damit an den Handgelenken an zwei Palmen, damit er nicht weglaufen konnte. Als sie damit fertig waren, traten die Wachen hastig zur Seite, bevor sich Nasrullah vielleicht entschied, auf größere Ziele zu schießen.
    Hoffnungslos starrte das Kind auf seinen königlichen Herrn. Sein Gesicht war schweißbedeckt, und sein kleiner Brustkorb hob und senkte sich in keuchenden, panischen Atemzügen. In dem Hof herrschte absolutes  Schweigen, das nur vom Plätschern des Brunnens und dem fröhlichen Gezirpe der Vögel in den Palmen gestört wurde.
    Ruhig richtete der Emir seine Waffe auf sein lebendiges Ziel und zog den Hahn. Als das Krachen der Pistole ohrenbetäubend von den Marmorwänden widerhallte und eine Wolke beißenden Qualmes aufstieg, schrie der Junge verzweifelt und voller Angst auf - ein Laut, der einem das Blut in den Adern gefrieren ließ. Einige Sekunden verstrichen, bis der Qualm sich so weit verzogen hatte, um zu erkennen, daß der Junge immer noch aufrecht und unverletzt zwischen den Palmen stand. Verzweifelt schluchzend riß er vergeblich an seinen Fesseln.
    Nasrullah runzelte die Stirn. »Ich habe ihn verfehlt. Gebt mir die andere Pistole. Es kann eine Weile dauern, denn ich bin kein erfahrener Schütze.«
    Der Gedanke daran, hier zu stehen und diesem Wahnsinnigen zuzusehen, wie er versuchte, ein Kind wegzupusten, drehte Juliet den Magen um. Wie viele Schüsse würde er brauchen? Und würde es ihm reichen, sein Opfer zu verwunden, oder würde er erst zufrieden sein, wenn das Kind tot war? Einen Moment erwägte sie, ihr Messer zu ziehen und es dem Emir in die Kehle zu stoßen, aber der gesunde Menschenverstand hielt sie zurück. Aber nur knapp.
    Dann sprach Ross mit seinem gelassenen Tonfall, der je nach Situation sowohl enervierend als auch beruhigend sein konnte. Nun war es die Stimme der Vernunft in einer Welt des Wahnsinns. »Wenn Ihr einen Beweis für die todbringende Wirkung der Waffen haben wollt, so ist dieser leicht zu verschaffen.«
    Ross hob die Waffe, zielte in die Krone der Palme und schoß. Einen Augenblick später fiel der kleine, zerschmetterte Körper eines Spatzen zu Boden. »Es ist doch schade, einen Sklaven zu verschwenden«, sagte er milde. »Und ein Spatz ist ein weitaus herausfordernderes Ziel für das Ausprobieren einer neuen  Waffe.«
    Kurzfristig vollkommen verdutzt, blickte der Emir von dem toten Vogel zu Ross und zurück zu dem Vogel. Dann lächelte er mit kalter Grausamkeit. »Ihr seid ein exzellenter Schütze, Lord Kilburn. Da Ihr so um meinen Sklaven besorgt seid, mögt Ihr Eure Zielgenauigkeit an ihm ausprobieren.«
    Er winkte eine seiner Wachen herbei und gab diesem einen Befehl, den Juliet nicht

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