Wilder als der Hass, süsser als die Liebe
Frauen und Konkubinen hat.«
Obwohl er kaum mehr als ein Wimpernzucken in ihre Richtung sandte, hatte Juliet das Gefühl, als wäre diese Bemerkung auf sie gemünzt, und sie empfand eine seltsame Mischung aus Stolz und Schuld. Ross war einfach zu gut für sie, aber das wußte sie ja schon lange.
Nasrullah war weniger beeindruckt. »Das klingt für mich nach der Rede eines Mannes, der sich dies selbst glauben machen will, weil er keine andere Wahl hat.«
Ross lächelte. »Wie Ihr meint, Eure Majestät. Es gibt viele Wahrheiten, und dies ist meine.«
Wieder machte der Emir einen heftigen Gedankensprung. »Es ist wirklich außergewöhnlich. Ich habe zweihunderttausend persische Sklaven in Buchara, und niemand kümmert sich um sie. Und da nehme ich einen einzigen Briten gefangen, und plötzlich kommt jemand den ganzen Weg von England her und verlangt seine Freilassung.«
Juliet erstarrte und spürte die gleiche Anspannung in Ross. Sie waren im Herzen ihrer Mission angelangt.
Ohne sich um einen Hauch von Stolz zu scheren, fiel Ross vor dem Emir auf die Knie. »Ich verlange nicht, ich bitte darum.
Wenn Ihr meinen Bruder gefangenhaltet, so flehe ich Euch an, ihn freizulassen. Ich weiß, wie Euer großartiges Land die Gastfreundschaft in Ehren hält, und ich kann den Berichten einfach nicht glauben, die besagen, er sei brutal gemordet worden.«
»Euer Flehen ist höchst rührend, Lord Kilburn, und wenn Ihr ein paar Monate früher gekommen wäret, hätte ich vielleicht Eurer Bitte stattgegeben. Doch leider kommt Ihr zu spät.« Nasrullahs Stimme triefte vor spöttischem Bedauern, und seine Augen funkelten bösartig. »Es betrübt mich, es Euch mitzuteilen, aber Major Cameron ist exekutiert worden.«
Juliet schloß die Augen und sog schaudernd die Luft ein. Ihr Bruder war tot.
Der persische Junge drückte zögernd ihre Hand, und sie bemerkte, daß sie ihre fest um seine geschlossen hatte. Es sprach für ihn, daß er trotz allem, was er eben durchgemacht hatte, noch auf ihren Kummer reagierte. Sie zwang sich, ihre Augen zu öffnen und erkannte, daß ihr Mann ebenso still wie sie geworden war. Nach einer langen Pause sagte Ross: »Darf ich fragen, was er getan hat, um eine solche Bestrafung zu verdienen?«
Ein gefährliches Schweigen folgte, denn der Emir war es nicht gewohnt, daß man seine Entscheidungen hinterfragte, aber nach einem kurzen Augenblick zuckte er die Achseln. »Seine Empfehlungen waren nicht in Ordnung, also bestand die Frage, ob er tatsächlich die britische Regierung vertreten wollte. Dann ertappte man Cameron beim Spionieren. Als er mit dem Beweis konfrontiert wurde, konvertierte er zum Islam und schwor mir Treue, nur um wenige Tage später wieder überzulaufen.« Nasrullahs Augen glitzerten kalt wie Eis. »Nach unserem Gesetz muß ein Mann, der sagt, er will Moslem werden, es tun - oder sterben.«
»Ich verstehe.« Ross hob sich mühsam auf die Füße. »Das sind in der Tat schwere Verfehlungen. Doch da er für seine Schandtaten bezahlt hat, erbitte ich von Euch seine Leiche, so daß ich sie nach Hause bringen kann.«
»Für heute habe ich genug Zeit mit dieser Sache verschwendet«, erklärte Nasrullah brüsk. »Ich werde über Eure Bitte nachdenken und ein anderes Mal mit Euch darüber reden.« Er sah umher, bis sein Blick den einer Wache einfing. »Der Außerminister hat Fragen an Lord Kilburn. Bring den Ferengi zu ihm.« Mit diesen Worten stolzierte der Emir zurück in den Audienzsaal.
Während Ross dem Herrscher nachsah, ballte sich seine Faust unwillkürlich, und er mußte sich zwingen, sich zu entspannen. Nasrullah war so grausam und wahnsinnig, wie sein Ruf es verhieß, und er und Juliet würden das Glück des Teufels benötigen, um mit intakten Hälsen wieder aus Buchara herauszukommen. Er konzentrierte sich auf einen leidenschaftslosen Gesichtsausdruck und folgte der Wache aus dem Hof hinaus, Juliet und den Jungen im Schlepptau.
Abdul Samut Khan führte sie in ein kleines Büro, wo der Minister für ausländische Angelegenheiten einem persischen Schreiber etwas diktierte. Der Minister war ein Usbeke mit buschigen Brauen und ständig gerunzelter Stirn, und in der nächsten Stunde unterzog er Ross einer anstrengenden Befragung, während Juliet und der Junge still in einer Ecke des Raumes hockten.
Zuerst wollte er wissen, ob das britische Volk wütend werden würde, wenn es von Major Camerons Tod erfuhr. Als Ross antwortete, daß es schon bei der Nachricht von der Gefangennahme
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