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Wilder als der Hass, süsser als die Liebe

Titel: Wilder als der Hass, süsser als die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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verärgert gewesen war, runzelte der Minister noch heftiger die Stirn und fragte, wie weit es von England nach Buchara war. Er entspannte sich, als er erfuhr, wie groß die Entfernung war, und erging sich dann in endlosen Fragen zur Innenpolitik Englands und Rußlands. Über letzteres war er bestens informiert, was kein Wunder war, denn das russische Reich drohte wie eine Gewitterwolke über Zentralasien.
    Wie auch immer, es gab ein gefährliches Intermezzo, als der Minister nach den vier britischen »Großvisieren« fragte und dann Ross der Lüge beschuldigte, da sie anders lauteten als die, die ihm Ian Cameron vor einem Jahr genannt hatte. Entnervt erklärte Ross, daß es kürzlich einen Regierungswechsel gegeben hatte, was in einer komplexen Beschreibung mündete, wie die britische konstitutionelle Monarchie funktionierte.
    Der Bucharer war beschwichtigt, als Ross ihm die Namen der vier Minister der vorangegangenen Regierung nennen konnte, obwohl Ross bezweifelte, daß sein Befrager tatsächlich glaubte, daß eine Administration friedlich ausgetauscht werden konnte. Eine neue Regierung ohne Blutvergießen zu etablieren, entsprach ganz und gar nicht den Angewohnheiten asiatischer Herrscher.
    Die Fragen nahmen kein Ende, und Ross war schließlich so müde, daß er sich kaum noch konzentrieren konnte. Die Karawane war lange vor Sonnenaufgang unterwegs gewesen, und der Tag war  seitdem lang und anstrengend gewesen. Nun dämmerte es bereits, aber der Minister schien unermüdlich zu sein.
    Schließlich fragte Ross: »Darf mein Diener mit meinem neuen Sklaven gehen, um seine Habseligkeiten zu holen?« Der Minister erlaubte es und beauftragte eine Wache, Juliet und den Jungen zu den Sklavenquartieren zu begleiten. Sie kehrten eine halbe Stunde später zurück, und Juliet trug ein kleines Bündel mit dem wenigen, was dem Kind gehörte. Plötzlich wurde der Minister wieder umgänglich.
    »Vergebt mir, Lord Kilburn, daß ich Euch so lange aufgehalten habe. Ich werde noch einmal mit Euch sprechen wollen, aber für heute ist es genug. Ihr müßt sehr müde von der langen Reise sein.« Mit einem Händeklatschen zitierte er bewaffnete Wachen herbei, die die Gäste in die Quartiere bringen sollten, die man für sie hergerichtet hatte.
    Nachdem sie ihre Kamele geholt hatten, verließen sie den königlichen Palast und wurden zu einem Gebäudekomplex mit massiven Mauern gebracht, der sich etwa eine halbe Meile von der Zitadelle entfernt befand. Als sie in das Haupthaus eintraten, kam der Nawab geschäftig auf sie zugewieselt. »Seid gegrüßt, meine Freunde.« Er verbeugte sich. »Willkommen in meiner bescheidenen Unterkunft.«
    »Ist dies Euer Haus?« fragte Ross überrascht.
    »Aber ja. Der Emir gestattet mir häufig, seine besseren Gäste zu bewirten. Läßt mich Euch die Zimmer zeigen.«
    Die ihnen zugewiesenen Räume befanden sich im oberen Stockwerk und teilten sich einen Balkon, der auf einen enormen Garten hinter dem Gebäude ging. Die Zimmer waren einfach, aber komfortabel eingerichtet: Weiß getünchte Wände, gepolsterte Divane und hübsche Buchara-Teppiche. In einem Raum stand ein Bett, während das andere mit einem Tisch zum Essen und Schreiben ausgestattet war. Diener waren bereits dabei, ihr Gepäck ins Schlafzimmer zu bringen.
    Während der Nawab verschiedene Öllampen anzündete, sagte er: »Ich werde Anweisungen geben, daß Ihr hier in einigen Minuten das Essen serviert bekommt. Wünscht Ihr, daß Eure Diener bei Euch bleiben, oder soll ich sie in meine Sklavenquartiere  schicken?«
    »Jalal kann hier auf dem Boden schlafen. Der Junge . . .« Ross musterte das Kind einen Augenblick lang. »Ich möchte, daß er heute mit mir ißt, damit ich mit ihm reden kann, aber er schläft besser in Eurem Selamlik. Ich nehme an, Ihr habt auch Jungen in seinem Alter.«
    Der Nawab nickte. »Gibt es noch etwas, das ich Euch zu Eurer Bequemlichkeit bringen lassen kann?«
    »Ein Bad«, antwortete Ross prompt.
    »Ihr seid in meinem Hammam willkommen.«
    Ross hätte sechs Monate seines Lebens dafür gegeben, aber dummerweise konnte Juliet nicht mit in die Baderäume gehen, und sie fühlte sich bestimmt genauso schmierig wie er. So kramte er die Reste seines adeligen Snobismus' zusammen und antwortete ernsthaft: »Es ist gegen die gute Sitte meines Volkes, im Hammam zu baden. Habt Ihr eine große Wanne, die man hierher bringen lassen kann, und einen Wandschirm?«
    »Eine Wanne?« Abdul Samut Khan war verwirrt. »Major Cameron war auch

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