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Wilder als der Hass, süsser als die Liebe

Titel: Wilder als der Hass, süsser als die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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Abtrünniger, und der Tod reicht nicht aus, um den Schmutz seiner Unehrenhaftigkeit zu beseitigen«
    »So ein Ärger.« Juliet seufzte, setzte sich einige Zentimeter entfernt von Ross auf den Diwan und zog den Schleier wieder von ihr Gesicht. »Aber viel wichtiger ist, ob wir gehen dürfen.«
    Ross band seine Krawatte auf und warf sie über seine Jacke, wobei sein weißes Hemd aufklaffte und sandfarbenes, lockiges Haar zeigte. Den Blick von etwas zu erhäschen, was normalerweise verdeckt wurde, war beunruhigend erotisch, und Juliet konnte sich nur mit Mühe losreißen. Der innere Aufruhr, den sie durchgemacht hatte, während er fort gewesen war, hatte ihre Nerven strapaziert und ihre Gefühle offengelegt, und sie wußte, daß es nur sehr wenig brauchte, um den winzigen Rest an Selbstkontrolle zu vernichten.
    Ohne etwas von ihren Gedanken zu ahnen, ließ er sich in die Polster zurücksinken, und seine Miene wirkte so fein gezeichnet wie ein mittelalterliches Gemälde eines leidenden Heiligen. »Der Emir meinte recht freundlich zu mir, daß er zwar Ians Knochen nicht herausgeben würde, gerne aber meine statt dessen schicken wollte.«
    Sie erschauderte. »Sein Sinn für Humor scheint so abstoßend wie der Rest von seinem Wesen.«
    »Ich kann auch nicht behaupten, daß ich seinen Scherz komisch fand. Besuche bei diesem Gentleman sind äußerst erschöpfend«, bemerkte Ross. »Da meine Mission, alles über Ian zu erfahren, nun beendet ist, bat ich ihn um die Erlaubnis, Buchara zu verlassen. Das löste bei Nasrullah eine weitere Tirade aus, die in etwa darauf hinauslief, warum ich seine Gastfreundschaft, nach allem, was er für mich getan hat, verschmähen wollte. Drei Botschafter wären von Herat gekommen, um meine Exekution zu fordern, doch er hätte nicht auf sie gehört. Wie könnte ich verlangen, gehen zu dürfen, wo er mich doch wie einen Bruder  behandeln würde?«
    »Wenn ich mich recht entsinne«, warf Juliet sarkastisch ein, »hat er vier seiner Brüder abgeschlachtet. Oder waren es fünf?«
    »Die Anzahl variiert, je nachdem, wen man fragt.« Ross lehnte seinen Kopf gegen die weißgetünchte Wand. »Mit allergrößtem Takt - Mutter wäre stolz auf mich gewesen - sagte ich ihm, wie zutiefst dankbar ich für seinen Großmut wäre, aber daß mein Vater alt und krank wäre, und ich schon so lange fort sein würde, daß ich ihn möglicherweise nicht mehr auf Erden sehen würde.« »Wenigstens das ist die Wahrheit.«
    Ross hob amüsiert die Augenbrauen. »Ich bin der Wahrheit nicht abgeneigt, wenn sie mir etwas nützt. Auf jeden Fall besänftigte meine Bemerkung den Emir ein wenig, was ich recht überraschend finde, wenn man bedenkt, daß er angeblich seinen eigenen Vater vergiftet hat. Nun, nachdem er zugab, daß man alte Leute respektieren sollte, fragte er mich in verletztem Tonfall, ob ich Buchara lieber entehrt und unwürdig verlassen wollte oder aber mit seiner Gunst und ehrenvoll.«
    »Natürlich versicherte ich ihm, daß ich es vorziehen würde, mit der Gunst Seiner Majestät zu gehen - es erschien mir am diplomatischsten. Nasrullah antwortete darauf, daß ich ein wenig Geduld haben müßte und bald mit seinem Segen abreisen könnte. Dann machte er auf dem Absatz kehrt, verschwand durch die Vorhänge, und meine Audienz war beendet. Shahid war zutiefst enttäuscht, daß er mich wieder herbringen mußte.«
    Juliet vergrub das Gesicht in den Händen. Ihr war kalt, obwohl die Nachtluft warm war. Ross hatte heute nacht Glück gehabt, aber es klang, als hätte Nasrullah ebensogut seine Exekution anordnen können. Glück hielt niemals ewig an. »Glaubst du, daß der Emir dir wirklich die Erlaubnis zu gehen erteilen wird?«
    Es entstand eine lange Pause, bis Ross schließlich mit neutraler Stimme antwortete: »Er hat nichts zu gewinnen, wenn er mich gefangenhält.«
    Das stimmte. Aber da die Briten ernsthafte Rückschläge in Afghanistan hatten einstecken müssen, konnte Nasrullah ebenso zu dem Schluß kommen, daß er ebenso nichts zu verlieren hatte, wenn er seinen »Gast« töten ließ - schließlich war es hinreichend bekannt, daß er Europäer verachtete.
    Sie hob den Kopf und bekam ihre Worte kaum heraus:
    »Sag mir die Wahrheit, Ross. Du glaubst, daß wir hier sterben werden, nicht wahr?«
    Er begegnete ihrem Blick; ohne mit der Wimper zu zucken, und seine Augen verrieten ihr, daß er die Wahrscheinlichkeit seines Todes akzeptiert hatte. »Ich werde fast sicher hier sterben«, antwortete er ruhig. »Aber du

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