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Wilder als der Hass, süsser als die Liebe

Titel: Wilder als der Hass, süsser als die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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die Knie und bebte bei der Vorstellung, daß sie Ross vielleicht nie wieder sehen würde. Vielleicht wurde er ins Gefängnis gesteckt. Vielleicht wurde er noch heute nacht.. . exekutiert.
    Das konnte nicht sein. Das konnte nicht sein!
    Aber es war so. Der Emir konnte und würde vielleicht von einem Moment zum anderen - und vollkommen ohne Grund - Ross' Tod befehlen. Seine Grausamkeit war so berüchtigt, daß man in Buchara höchstens mit den Schultern zuckte, wenn sie Geschichten von Männern hörte, die umgebracht worden waren, weil sie protestiert hatten, als Nasrullah ihre Frauen nahm.
    Heftig biß sie sich auf die Lippe, um mit dem Schmerz die aufsteigende Panik zu bekämpfen. Sie mußte nachdenken, wie sie Ross helfen konnte und durfte sich nicht in ihre Angst ergeben. Stolpernd kam sie auf die Füße, verriegelte die Tür und ging ins andere Zimmer hinüber, wo das Licht noch brannte und ein Stück Papier zur Hälfte mit Ross' Handschrift bedeckt war. Sie hatte das Gefühl, als müßte sie sich nur umdrehen und er wäre dort. Aber er war weg. Vielleicht für immer.
    Was konnte sie tun? In dieser Nacht nichts mehr, denn brave Bürger gingen nicht mehr aus, nachdem die Trommeln des Königs die Sperrstunde verkündet hatten. Abdul  Samut Khan würde von keinem Nutzen sein; die Tatsache, daß Shahid Ross abgeholt hatte, bedeutet entweder, daß der Nawab hilflos war, oder er arbeitete aktiv gegen Ross.
    Die Kasems waren Juliets größte Hoffnung, denn ihr Einfluß in Buchara galt als beträchtlich. Sie würde morgen früh sofort zu ihnen gehen und sie bitten, diesen Einfluß für Ross geltend zu machen. Da war auch noch der persische Botschafter in der Stadt -wenn Juliet sich als Gul-i Sahari zu erkennen gab, würde ihr der Botschafter vielleicht helfen, denn Serevan hatte dem Schah geholfen, die Grenze im Osten zu stabilisieren.
    Sie hatte die letzten drei Wochen genutzt und eine Menge über Bucharas interne Struktur gelernt, und während die Stunden der Nacht verstrichen, ging sie alle Möglichkeiten durch, die ihr zu Ross' Hilfe einfielen. Sie weigerte sich schlichtweg, in Betracht zu ziehen, daß all ihre Überlegungen sinnlos waren, wenn Nasrullah in seiner Launenhaftigkeit ihren Mann bereits zum Tode verurteilt hatte.
    Es war weit nach Mitternacht, als ein zweites Klopfen an der Tür erklang. Zuerst hörte sie es gar nicht, denn es war weit verhaltener als das Stunden zuvor. Als sie es schließlich bemerkte, stand sie auf und ging mit grimmiger Miene nachschauen, wer es sein konnte. Wenn die Soldaten gekommen waren, um auch sie zu holen, würden sie Schwierigkeiten bekommen. Ross mochte ruhig und gelassen mitgegangen sein, so daß er sie nicht gefährdete, aber sie selbst hatte keinerlei Grund, sich zurückzuhalten.
    Doch es würde wohl eher der Nawab sein, der Krokodilstränen vergießen wollte, während er sich den Besitz seines geschätzten, leider verschwundenen Gastes aneignen wollte.
    Juliet befestigte den Schleier und hob dann den schweren Riegel aus der Halterung. Dann trat sie zurück und ließ die Hand zu ihrem Messer fallen, als die Tür aufschwang und ein Mann eintrat. Das Licht aus dem Schlafzimmer war so schwach, daß sie einen Augenblick brauchte, um das leuchtend goldene Haar des Eindringlings zu erkennen.
    Es war Ross. Sie starrte ihn an, ohne recht glauben zu können, daß er es wirklich war. Dann, ohne sich überhaupt noch zu vergewissern, daß sie allein waren, stürzte sie auf ihn zu und schlang erleichtert die Arme um seinen Hals.
    Er hieß ihre Umarmung willkommen, legte ihr eine Hand auf die Hüfte, während die andere schnell die Tür zudrückte. Den Tränen nahe, stammelte Juliet: »Ich war sicher, daß sie dich ins Gefängnis gesteckt haben. Oder Schlimmeres.«
    Einen Augenblick lang ruhte seine Wange an ihrer Schläfe. Dann ließ er sie los, um die Tür zu verriegeln. »Diesen Eindruck wollte Shahid auch vermitteln, und es hätte durchaus so ausgehen können.« Er zog seine Jacke aus, warf sie auf den Diwan und trat ins Schlafzimmer.
    Juliet folgte ihm auf den Fersen. »Was ist passiert?«
    »Ich wurde in ein kleines Audienzzimmer gebracht, wo Nasrullah wie ein Tiger im Käfig auf und ab lief«, antwortete Ross müde, als er sich setzte, um seine Stiefel loszuwerden. »Nachdem ich brav das Salaam ausgeführt hatte, knurrte er mich an, er hätte meine Bitte erwogen, ob ich Ians Leiche mitnehmen dürfte, und sich dagegen entschieden, denn >Major Cameron war ein Verräter und ein

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