Wilder als der Hass, süsser als die Liebe
um und richtete den Gewehrlauf auf die Schlucht. Er feuerte, nur um dem Feind zu zeigen, daß die Ferengis noch im Geschäft waren. Zu seiner Überraschung ging die Kugel tatsächlich dorthin, wo er sie hinhaben wollte. Mit grimmigem Humor begann er, ernsthaft zu schießen. Der Verlust seines Auges schien sein Schützentalent keinesfalls beeinträchtigt zu haben. Berauscht von seinem Triumph, begann Shahid zu seinem Opfer hinabzuklettern. Es konnte sein, daß Kilburn noch lebte, denn Shahid hatte aus einem ungünstigen Winkel schießen müssen, und der Sturz reichte allein nicht unbedingt aus, den Ferengi umzubringen, es sei denn, er wäre sehr unglücklich aufgeschlagen. Zuerst wollte Shahid sich vergewissern, daß der Ferengi tot war; dann würde er zu dem höheren Vorsprung klettern und von dort aus in aller Ruhe die anderen erledigen.
Nun, wenn er vorsichtig war, konnte der Targi vielleicht lange genug leben, um vorher noch gedemütigt zu werden. Mit der Waffe schußbereit in der Hand, bahnte sich der Usbeke seinen Weg nach unten.
Als Juliet auf den Vorsprung stolperte, auf den Ross gestürzt war, stellte sie fest, daß die Fläche aus unerwartet weichem Sand und Kies, die durch Grasbüschel zusammengehalten wurden, bestand. Sie betete, daß dieser relativ federnde Grund die Gewalt des Aufpralls gemildert hatte.
Ross lag auf der Seite, sein Gesicht entspannt und schön, als würde er schlafen, doch das Blut in seinen blonden Haaren besagte etwas anderes. Ihre Atmung ging stoßweise und flach vor Angst und Entsetzen, als sie sich neben ihn kniete und schien Puls am Hals suchte. Als sie ihn zuerst nicht finden konnte, drohte die überwältigende Furcht sie zu ersticken, doch da, wundersamerweise, spürte sie ein kräftiges Schlagen unter ihren Fingerspitzen, ein Pulsieren, das nicht nur sein Leben repräsentierte, sondern auch ihres. Denn wenn Ross sterben würde, wäre der größte Teil von ihr ebenfalls tot.
In ihrem Herzen war ein Durcheinander von Gebeten, Dankbarkeit und Schwüren über das, was sie tun würde, wenn Gott ihren Mann nicht verschonte, dann legte sie die Pistole auf den Boden und untersuchte Ross. Offensichtlich hatte die Kugel seinen Schädel gestreift, es schienen aber ansonsten keine ernsthafteren Verletzungen vorhanden zu sein.
Juliet riß ihren Tagelmoust ab, und ihr Haar löste sich aus dem groben Zopf und ergoß sich über ihre Schultern, doch sie strich es ungeduldig zurück und begann Streifen von dem Stoff abzureißen. Sie hatte gerade einen über Ross' Wunde gewickelt, als ein Kieselregen davon kündete, daß jemand näherkam.
Sie wirbelte gerade noch rechtzeitig herum, um zu sehen, wie Shahid sich, seine Waffe im Anschlag, auf die Felsplatte hievte.
Er war kaum drei Meter von ihr entfernt, und für den Bruchteil einer Sekunde erstarrten sie beide im gegenseitigen Schock.
»Eine Frau!« keuchte Shahid auf und starrte vollkommen verdattert auf Juliets Gesicht und die seidigen Locken, die vom Wind zerzaust wurden. »Also ist Kilburns Targi-Junge in Wahrheit eine Ferengi-Hure!«
Der Koran befahl, mit Frauen und Kindern Gnade walten zu lassen, aber das war eine Regel, die Shahid niemals befolgt hatte. Mit einem Ausdruck grausamer Freude auf dem Gesicht hob er seine Waffe. »Jetzt wirst du deinem Liebhaber folgen.«
Aber er war nicht schnell genug. In dem überraschten Augenblick, in dem Shahid die Tatsache aufnahm, daß sie eine Frau war, riß sie die Pistole hoch und entsicherte sie.
Dann hielt sie die Pistole mit beiden Händen, damit sie auch ganz sicher richtig traf - und schoß Shahid Mahmud aus nächster Nähe direkt durch das Herz.
Kapitel 26
Das ohrenbetäubende Krachen von Juliets Pistole holte Ross in einen dämmrigen Zustand des Bewußtseins zurück. Obwohl sein Körper jede Bewegung verweigerte, schaffte er es, seine Augen einen Spalt zu öffnen und sah gerade noch, wie die Gewalt des Schusses Shahid herumwirbeln ließ und ihn dann über die Felskante stieß. Als die Leiche des Usbeken geräuschvoll den Felsen herunterpolterte, ließ Juliet mit bebenden Händen die Pistole sinken.
Sie drehte sich zur Schlucht um und rief mit einem leichten Zittern in der Stimme: »Männer aus Buchara! Eure Mission ist vorbei! Euer Anführer, Jawer Shahid Mahmud, ist tot und der Ferengi tödlich verwundet. Wenn ihr euch jetzt zurückzieht, könnt ihr eure Waffen nehmen und in Frieden verschwinden. Wenn ihr aber weiterkämpft, hetzen wir euch wie Hunde, bis ihr tot seid.«
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