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Wilder als der Hass, süsser als die Liebe

Titel: Wilder als der Hass, süsser als die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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Jahren geteilt hatten, waren sie sich im Herzen doch immer fremd geblieben - und nun würden sie es auch für immer bleiben.
    Eine Flasche Rotwein für zwei hätte früher in England keinesfalls exzessiv gewirkt, aber als Juliet jetzt ihren Körper aus den Laken befreite, erkannte sie, daß es dennoch ein verhängnisvoller Fehler gewesen war. Nicht daß einer von ihnen betrunken gewesen wäre  - aber sie hatte praktisch überhaupt nicht mehr getrunken, seit sie im Islam lebte, und Ross, der gewöhnlich einiges vertragen konnte, hatte wahrscheinlich seit Monaten keinen Tropfen mehr angerührt. Und so waren zwei Gläser genug gewesen, die Zurückhaltung bis zu dem Punkt zu lockern, daß er sie küssen wollte - und sie war Närrin genug gewesen, ihn zu lassen.
    Ihn zu lassen. Mit einem freudlosen Lachen rollte sie sich auf die Seite und vergrub das Gesicht in den Kissen. Sie hatte ihn nicht nur ermutigt, sie hatte ihn regelrecht verführt. Noch ein halbes Glas Wein mehr, und sie hätte es vermutlich tatsächlich gemacht. Und, lieber Gott, sie wünschte, sie hätte es getan! Morgen früh würde sie froh sein, daß sie sich beherrscht hatte, aber im Augenblick fühlte sie nur das Verlangen, das durch ihren Körper strömte.
    All die verdrängten Erinnerungen an das Liebesspiel -Geschmack, das Gefühl, ihn zu sehen, zu riechen und zu hören - waren unter Ross' Umarmung mit aller Gewalt hervorgebrochen. Wenn sie es versucht hätte, konnte sie bestimmt jedes einzelne Mal aufzählen und beschreiben, das sie sich geliebt hatten. Und da gab es viel zu erzählen, denn obwohl sie nur sechs Monate zusammengelebt hatten, waren sie beide jung und leidenschaftlich verliebt ineinander gewesen.
    Eine ihrer lebhaftesten und sinnlichsten Erinnerungen war die an ihre Hochzeitsnacht. Die Hochzeit selbst war nicht groß gewesen, denn sie hatten nicht warten wollen, bis eine aufwendige Feier arrangiert werden konnte. Tatsächlich hatte Juliet in ihrer Verlobungszeit einmal vorgeschlagen, daß sie doch lieber dem schottischen Brauch nachkommen sollten, nur gemeinsam über ein Schwert zu springen, damit sie nicht noch länger ausharren mußten. Aber sie warteten dennoch, weniger aus moralischem Anstand als aus der Schwierigkeit heraus, ein stilles Plätzchen zu finden, wo sie unentdeckt Liebe machen konnten. Die Zeremonie hatte in Schottland in der Dorfkapelle des Landstriches von Juliets  Onkel stattgefunden. Dann das junge Paar zu einer Jagdhütte in der Nähe gefahren, die einem Freund des Duke of Windermere gehörte. Und dort waren sie endlich allein gewesen, denn die Dienerschaft war freundlich genug, nicht ein Paar zu stören, das frisch verheiratet war.
    Nachdem sie ein leichtes Abendessen zu sich genommen hatten, hatte Ross Juliet Zeit gegeben, sich zu waschen, umzuziehen und sich bereit zu machen. Es war ihr unendlich peinlich, aber obwohl sie sich wochenlang auf diese Nacht gefreut hatte, war sie plötzlich einem Zusammenbruch nah gewesen. Als ihr frischgebackener Ehemann schließlich ins Schlafzimmer gekommen war, hatte sie nicht freudig in dem massiven Bett gewartet, sondern hatte statt dessen zusammengekauert auf dem Fensterplatz gesessen. Mit den Armen hatte sie fest ihre angezogenen Knie umklammert.
    Ross war an ihre Seite getreten. Während er hinaus auf die Mondsichel geblickt hatte, die am samtschwarzen Nachthimmel hing, hatte er ihr einen Arm um die Schultern gelegt und gefragt: »Kalt?«
    Sie hatte den Kopf geschüttelt.
    Er hatte ihren Nacken gestreichelt, und seine warme Hand hatte wunderbar ihre verspannten Muskeln gelockert. »Nervös?«
    Sie hatte heftig geschluckt und zu ihm aufgesehen. »Alle sagen, wir sind zu jung. Vielleicht haben sie recht gehabt!«
    »Nein«, hatte er schlicht geantwortet. Dann hatte er sich niedergebeugt und sie auf seine Arme genommen. Überrascht hatte sie sich an ihn geklammert, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, während er sich auf das Bänkchen gesetzt und sie auf seinem Schoß plaziert hatte.
    »Sie, wer immer sie auch sein mögen«, fuhr er fort, »haben unrecht. Ich liebe dich, und du liebst mich. Das Alter hat nichts damit zu tun.«
    Bei seiner ruhigen Zuversicht waren ihre eigenen Zweifel geschwunden. Vielleicht war sie jung und flatterhaft, Ross war es aber nicht. Er war stark und gefestigt und klug - alles, was sie nicht war.
    Dann hatte sie sich in seinen Armen wie ein Kätzchen entspannt  und ihr Gesicht in seine Halsbeuge gepreßt. Mit weicher tiefer Stimme hatte er ihr

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