Wilder als der Hass, süsser als die Liebe
Fremden.«
Seine Brauen zogen sich belustigt hoch. »Ist es nicht etwas dumm von dir, dich darum zu sorgen, ob ich im Fluß ertrinke, wenn es doch eine exzellente Chance gibt, daß ich in Buchara auf weitaus unschönere Weise sterben werde?«
Verärgert über die Leichtigkeit seines Tonfalls, gab sie zurück: »Ich würde es vorziehen, wenn du nirgendwo stirbst.«
»Du solltest die Vorteile darin sehen. Wenn ich sterbe, bist du zumindest endlich eine freie Frau.«
»Ich bin bereits eine freie Frau«, fauchte sie. »Du mußt nicht sterben, damit ich es beweisen kann. Als ich sah, wie er dich unter Wasser gezogen hat.. .« Sie biß sich auf die Lippe und war dankbar, daß der Schleier ihre Miene verbarg.
»Es tut mir leid - ich nehme an, es war schlimmer, zuzusehen, als es selbst durchzumachen. Und das Gefährlichste liegt noch vor uns.« Sein Gesichtsausdruck wurde wieder nüchtern. »Ich wünschte bei Gott, daß du in Serevan geblieben wärest.«
Er hatte recht; das Risiko in Buchara würde weitaus größer sein, und Juliet mußte sich unbedingt noch besser beherrschen lernen, als sie es jetzt tat. Seltsam, aber die ganzen Jahre war ihr Leben mehr als einmal in Gefahr gewesen, und sie hatte jedesmal mit einer Gelassenheit reagiert, die die Männer sehnsüchtig staunen machte. Sie holte tief und konzentriert Atem, bevor sie sagte: »Du hättest mich aber nicht davon abhalten können, mitzukommen.« »Ich weiß. Das ist auch der einzige Grund, warum du hier bist.«
Er hob einen der schweren, vollen Wasserschläuche hoch und hievte ihn auf ein Packkamel. »Ich möchte, daß du mir etwas versprichst, Juliet.«
Sie war gerade dabei, den Wasserschlauch zu befestigen, hielt nun aber inne und betrachtete Ross erstaunt. Er stand nur ein oder zwei Schritte von ihr entfernt, und seine Nähe rief ihr heftig und kurz in Erinnerung, wie er ausgesehen hatte, als er aus dem Fluß gestiegen war: Seine nassen Kleider hatten an seinem Körper geklebt und jeden einzelnen starken Muskel seines harten Körpers hervorgehoben. Sie schluckte und versuchte, das störende Bild zu verdrängen. »Was soll ich versprechen?«
Als er den nächsten Wasserschlauch auf ein Tier lud, seufzte er resigniert: »Ich wußte ja, daß du nicht zustimmen würdest, bevor du nicht weißt, um was es sich handelt.«
»Natürlich nicht. Wissen, was man unterzeichnet, ist ja wohl Voraussetzung für einen Vertrag.«
»Ich rede nicht von einem Vertrag.« Er streckte die Hand aus und legte sie auf ihre, die gerade am Packsattel mit den Stricken beschäftigt war. »Juliet, sieh mich an.«
Sie gehorchte widerwillig. Wenn auch der Schleier das meiste ihres Gesichts verbarg, so würde er doch ihre Augen sehen können, und sie befürchtete, daß diese zuviel verraten würden.
Mit tödlichem Ernst sagte er: »Wenn sich die Sache übel entwickelt, werde ich Buchara nicht lebend verlassen, doch als moslemischer Diener hast du eine gute Chance, davonzukommen. Versprich mir, daß du alles tun wirst, um dein Leben zu retten. Wenn es sein mußt, wirst du mich zurücklassen, ja, du sollst mich sogar bei den Männern des Emirs denunzieren, falls nötig. Und um Gottes willen, bitte starte keinerlei wilden, hoffnungslosen Versuche, um mich zu retten. Ich will nicht, daß du aus Sturheit oder Schuldgefühl oder Übermut stirbst.«
Als sie nichts darauf erwiderte, drückte er ihre Hand. »Versprich es mir, Juliet. Bitte.«
Sie haßte seine Worte und konnte sein skrupellos praktisches Denken nicht nachvollziehen. »Kann ich über mein eigenes Leben nicht selbst entscheiden?«
»Vielleicht, aber darum geht es doch gar nicht.« Er seufzte erneut und ließ ihre Hand los. »Würde es einen Unterschied machen, wenn ich dir sage, daß ich vielleicht ein wenig glücklicher sterben würde, wenn ich wüßte, daß du in Sicherheit bist?«
Der Kloß in ihrem Hals war so dick, daß sie Angst hatte, sie könnte daran ersticken. »Also gut. Ich verspreche dir, daß ich meine Lage akzeptieren werde, wenn du verurteilt wirst und man mich übersieht, und daß ich nichts Unsinniges anstellen werde.«
Seine Finger berührten ganz leicht ihren Handrücken. »Ich danke dir.«
Schweigend drehte sie sich um und zog den Wasserschlauch endgültig fest. Sie hatte ein Versprechen gegeben - aber sie war nicht sicher, ob sie es halten konnte. Es war leichter, sein eigenes Leben in einem nutzlosen Rettungsversuch zu riskieren, als danebenzustehen und jemanden in Gefahr zu wissen, für den man
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