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Wilder als der Hass, süsser als die Liebe

Titel: Wilder als der Hass, süsser als die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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soll es sein«, stimmte ein anderer hinzu. »Gesegnet sei der Name Allahs.«
    Ross erkannte, daß dies einer der Momente war, wo sich der orientalische Fatalismus nicht mit dem westlichen Tatendrang vereinbaren ließ. Noch während er dies dachte, sprintete er bereits das Ufer entlang und stieß andere Karawanenmitglieder grob beiseite. Er hätte es vorgezogen, keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, aber er konnte unmöglich dastehen und zusehen, wie jemand ertrank, den er vielleicht noch retten konnte.
    Der Esel hatte sich bis auf trockenen Boden gestrampelt und schüttelte nun das Wasser aus Fell und Mähne heraus, doch der Strom hatte seinen Reiter in die Mitte des gefluteten Bettes gezogen. Ross zögerte nicht, sondern handelte rein instinktiv. Hastig riß er sich Messer, Überkleidung und Stiefel vom Leib und ließ sie fallen. Er hatte keine Lust, durch irgendeinen Ballast am Leib im Wasser unter die Oberfläche gezogen zu werden. Schließlich sprang er in den Fluß und tauchte mit kraftvollen Zügen unter. Das Wasser war kalt und reißend, aber er hatte das Schwimmen in der Nordsee gelernt, und seine kräftigen Armbewegungen brachten ihn schnell dorthin, wo er den Händler zum letzten Mal gesehen hatte.
    Da der alte Mann wieder untergegangen war, mußte Ross  abtauchen und in dem salzigen, schmuddeligen Wasser, durch das er kaum sehen konnte, nach dem Körper tasten. Er ließ sich vom Strom treiben und mußte zweimal zum Luftholen wieder auftauchen, bis seine Finger festen Stoff fanden. Er packte richtig zu, dann stieß er sich nach oben.
    Einen Moment lang trieb Muhammad Kasem auf dem Wasser wie tot, sein Gesicht bläulich weiß und wächsern. Doch dann öffnete er die Augen und begann zu husten.
    Ross' Erleichterung war jedoch nur von kurzer Dauer, denn der wieder erwachte Händler begann nun in wilder Panik um sich zu schlagen und zu treten. Ein Hieb traf Ross im Magen, und er mußte nach Atem ringend. Bevor er sich wieder erholt hatte, schlang der andere Mann die Arme um den Hals seines Retters und zog ihn mit sich in die Tiefe.
    Mit brennenden Lungen kämpfte Ross, um Muhammad Kasems würgendem Griff zu entkommen. Als er das schmutzige Wasser schluckte, dachte er einen Augenblick, daß dies das Ende war. Er würde hier - mitten in Zentralasien und vor Juliets Augen -jämmerlich ertrinken.
    Nein! Mit so einem Bild darf ich sie nicht zurücklassen, dachte er, und der Gedanke verlieh ihm neue Energie, mit der er sich aus dem tödlichen Griff des Händlers winden konnte. Während er sich an die Oberfläche kämpfte, drehte er den Körper des Mannes um und machte ihn mit einem Arm über der Brust bewegungslos. Wieder durch die Oberfläche zu stoßen, war so ein segensreiches Gefühl, wie er es noch nie zuvor erlebt hatte. Einen Augenblick war er zufrieden, sich einfach treiben zu lassen, während er den Luxus des freien Atmens genoß. Dann begann der Alte sich zu bewegen, und seine Glieder zuckten schwach.
    »Ruhig, Onkel, halt still«, murmelte Ross beschwörend. »Du bist in Sicherheit.«
    Obwohl seine Atmung vor Furcht rasselte, gehorchte der alte Mann, und Ross bewegte sich auf das Ufer zu, wobei er Muhammad Kasem hinter sich herzog. Durch das sandige Wasser in den Augen war seine Sicht verschwommen, aber er hörte dennoch die Anfeuerungsrufe einiger Männer.
    Nur langsam kam Ross voran, denn er hatte nur einen Arm zum Schwimmen, und das Wasser war turbulent wie ein Gebirgsbach.
    Treibgut traf sie, ein ausgerissener Baumstumpf drückte sie wieder unter Wasser. Ross brauchte seine ganze Kraft, um sie beide aus dem Gewirr der Äste zu befreien, doch er schaffte es und paddelte unbeirrt weiter.
    Als er fast am Ufer war, stolperte jemand das steile Ufer hinunter, packte ihn am Arm und zog Ross und seine Last die letzten Meter zur Sandbank hinüber. Auch ohne die englischen Worte, die an seine Ohren drangen, hätte er sofort gewußt, wer es war.
    »Du dämlicher Idiot«, knurrte Juliet, als sie Muhammad Kasem fortzog und seinen zerbrechlichen Körper in die wartenden Hände schob. »Du hättest ertrinken können!«
    »Bin ich aber nicht«, keuchte Ross, zu erschöpft, um sich eine schlagfertigere Antwort einfallen zu lassen.
    »Verdammter Held«, murmelte sie. Da Ross sich kaum bewegen konnte, schlang Juliet einen Arm um seine Taille und zerrte ihn mit all ihrer Kraft ans trockene Land.
    Dort brach er in die Knie zusammen und begann, das schlammige Wasser herauszuwürgen, das er geschluckt hatte. Juliets Arme

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