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Wilder als der Hass, süsser als die Liebe

Titel: Wilder als der Hass, süsser als die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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Er hatte den Stoff seines Turbans über Mund und Nase gezogen, doch Juliet wußte, daß die leichte Faser nicht genug Schutz gegen einen Sturm von dieser Kraft bot. Sogar ihr schwerer, mehrschichtiger Tagelmoust konnte nicht den ganzen Sand abhalten.
    Sie waren immer noch fünfzehn Meter voneinander entfernt, als der Sturm mit aller Macht auf sie niederbrauste. Es war der schlimmste Sandsturm, den Juliet je erlebt hatte, und er war grausam genug, jeden zu ersticken, der sich nicht richtig zudecken konnte. Zu sehen war nichts mehr, und messerscharfe Sandkörner schrammten über ihre bloßen Hände und den schmalen Schlitz in ihrem Gesicht, der nicht vom Schleier bedeckt war. Sie bückte sich, um die Angriffsfläche, die sie dem Wind bot, zu verringern und schrie: »Ross!«
    Sie glaubte, ihn zurückrufen zu hören, aber es war unmöglich, bei diesem Geheul des Windes sicher zu sein. Da sie wußte, daß sie besser als Ross ausgerüstet war, solcher Naturgewalt zu trotzen, versuchte sie, sich weiter in die Richtung zu bewegen, in der sie ihn zum letzten Mal gesehen hatte, doch sie hatte die Orientierung in der formlosen, wirbelnden Masse von Sand vollkommen verloren. Obwohl sie immer und immer wieder seinen Namen rief, als der Sturm sie vorwärtsdrückte, bekam sie kein einziges Mal eine Antwort.
    Der Panik nahe, redete sie sich ein, daß Ross kein Narr war. Er war erfahren genug, um sich niederzulegen und seinen langen  Mantel über seinen Kopf zu wickeln. Doch die Kleidung, die er trug, wurde mit einer Schärpe gehalten, und es brauchte Zeit, sie zu lösen. Wenn er zu lange benötigte . . . wenn sein Mund und seine Lungen sich mit Sand füllten . . .
    Als sie die Hoffnung schon aufgeben wollte, stolperte sie buchstäblich über ihn. Er lag auf den Knien und versuchte, mehr von dem Turban zu lösen, um sein Gesicht besser zu schützen, doch er hustete und würgte so sehr, daß er praktisch hilflos war. Juliet riß sich ihren langen, dichtgewebten Umhang ab, und faltete ihn einmal, damit sie doppelten Schutz haben würden. Dann ließ sie sich zu Boden fallen und zog ihren Mann zu sich herunter. Der Wind zerrte wild an ihrem Mantel und drohte, ihn ihr aus den Händen zu reißen, aber sie hielt grimmig fest und stopfte die Ränder um ihre Körper herum fest, bis sie vom Kopf bis zu den Knien eingehüllt waren. In weniger als einer Minute hatte sie einen engen Kokon für sie beide geschaffen, der sie vor dem tödlichen Sand beschützte.
    Ross' Körper zuckte krampfartig, während er nach Luft rang, und so löste sie die kleine Wasserflasche, die stets um ihre Taille hing, wenn sie in der Wüste war. Es war nicht leicht, das Fläschchen nach oben zu bringen, ohne den Umhang loszulassen, aber mit einiger Mühe schaffte sie es schließlich, sie bis zu Ross' Lippen zu führen.
    Sie waren so eng aneinandergepreßt, daß sie jede Bewegung seiner Muskeln spüren konnte, als er das Wasser trank und endlich die Lungen wieder voll Luft bekam. Er räusperte sich, dann trank er noch einen Schluck und traute sich schließlich wieder zu sprechen: »Danke. Ich bin froh, daß du besser als ich auf so etwas vorbereitet bist. So einen Sandsturm habe ich noch nie erlebt.« »Vor einigen Jahren habe ich etwas Ähnliches erlebt. Zwei Männer und einige Pferde starben dabei.« Juliet mußte laut und hoch sprechen, um sich über dem Heulen des Windes Gehör zu verschaffen. Nachdem sie ihren Schleier gesenkt hatte, um auch etwas trinken zu können, verkorkte sie die Flasche wieder und schob sie zurück an ihre Taille. Dann wand sie sich vor und zurück, um sich so eine Kuhle in den Sand zu wühlen. »Da die Zeit, die wir hier ausharren müssen, zwischen zehn Minuten und drei Stunden variieren kann, können wir es uns ebensogut bequemer machen«, erklärte sie.
    Er lachte ein wenig, als er ihr den Arm um die Schultern legte. »Eigentlich ist es ziemlich kuschelig so, obwohl wir wie eine Miniatursanddüne aussehen werden, wenn der Sturm sich gelegt hat. Ich spüre schon eine Menge Sand, der an meinen Rücken geweht ist. Das gibt zusätzlichen Schutz.«
    Da sie mit den Gesichtern zueinander lagen, fand Juliet, daß der beste Platz für ihren Arm über seiner Brust war. Sein Rücken lag zum Wind, so daß er das meiste der Windstöße von ihr abschirmte. »Solange wir uns nicht groß bewegen, müßte unser provisorisches Zelt eigentlich halten«, sagte sie. »Ich hoffe nur, Saleh und Murad sind genauso gut dran.«
    »Bestimmt«, versicherte Ross ihr.

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