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Wilder Als Ein Traum

Titel: Wilder Als Ein Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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selbstverständlich beide Hände benötigte. Sie versuchte, ruhig zu bleiben, während sie über das Gras in Richtung von Brisbanes weit aufgesperrtem Rachen glitt. Ihre Fingernägel vergruben sich in der nassen Erde, doch fanden keinen Halt.
    »Es wird Ihnen sehr Leid tun, wenn Sie mich verschlingen«, brüllte sie und sah sich verzweifelt nach ihrem Liebsten um. »Ich werde Ihnen das schlimmste Sodbrennen verursachen, das Sie je gehabt haben.«
    Der Drachen bleckte seine Zähne und sah sie mit einem widerlichen Grinsen an. »Was machen ein paar Verdauungsstörungen unter Freunden schon aus?«
    Tabitha spürte förmlich Colins kaltes Lächeln, als er sagte: »Wir sind nicht deine Freunde.«
    Ohne Vorwarnung sprang er über sie hinweg und griff das Untier an. Mit einem lauten Schrei nahm er das Schwert in beide Hände und rammte die Klinge durch das Amulett in Brisbanes schwarzes Herz. Der Drachen warf den Kopf zurück und brüllte vor Wut und Schmerz auf. Tabitha segelte in hohem Bogen durch die Luft, als der mächtige Schweif der Bestie von einer Seite auf die andere schlug, Bäume entwurzelte und große Erdklumpen aufwirbelte.
    Sie landete zwanzig Meter weiter im weichen Gras, drückte sich die Hände an die Ohren und schrie vor Entsetzen auf. Inzwischen verdunkelte sich der Himmel und ein Schleier übernatürlichen Lichts legte sich auf den Drachen, woraufhin sein Brüllen in ein hohes Kreischen - halb animalisch, halb menschlich - überging. Tabitha kniff die Augen zu; als sie sie wieder öffnete, war die Wiese in helles Sonnenlicht getaucht, Lord Brisbane lag rücklings im Gras, Colins Schwert ragte aus seiner Brust und aus seinem Mundwinkel rann ein dünner Faden wässrig roten Bluts.

    Sie fischte Lucy aus der Satteltasche und vergrub ihr Gesicht in dem weichen Fell. Es war geschafft: Colin von seiner Vergangenheit befreit und sie von ihrer Zukunft! Für sie konnte ein gemeinsames Leben in der Gegenwart beginnen, frei, jeden kostbaren Augenblick zu genießen, als wäre es der Letzte.
    Lucy in den Armen, rappelte sie sich eilig auf, da ihr liebevolles Lächen das Erste sein sollte, was Colin, wenn er wieder aufstand, sah.
    Doch er hatte sich bereits erhoben. Seine Leute kamen aus ihren Verstecken geschwärmt und schlugen ihm begeistert auf den Rücken, aber sie hörte weder ihre Glückwünsche noch ihren Jubel. Vielleicht hatte das überirdische Brüllen des Drachen sie kurzfristig taub gemacht? Stirnrunzelnd hob sie Lucy an ihr Ohr. Das Schnurren des Kätzchens nahm sie deutlich wahr.
    Colin sah sich verzweifelt suchend um. »Wo ist Tabitha?«
    Sie legte den Kopf auf die Seite. Seltsamerweise konnte sie von seinen Lippen lesen, ihn aber nicht hören.
    »Ich bin hier«, rief sie lautstark.
    Voll Schrecken merkte sie, dass auch ihre Stimme tonlos war.
    Die Wärme der Sonne hatte sich verflüchtigt, und das Flüstern des Windes in dem hohen Gras klang nur mehr wie eine Erinnerung. Nirgends zwitscherten Vögel und nirgends sprangen Grashüpfer herum. Die Wiese hatte nicht mehr Substanz als ein Gemälde, das man kurz an der Wand eines Museums und anschließend vielleicht in seinen Träumen sah.
    Sie umklammerte Lucy, die mit ihrem weichen Fell und ihrem festen kleinen Körper das einzige lebendige Wesen in ihrem Universum war.
    In diesem Augenblick wurde sie sich ihres schrecklichen
Irrtums bewusst. Sie hatte angenommen, dass sie durch die Zerstörung des Amuletts die Tür in Richtung Zukunft schloss - nicht, dass sie sie öffnete.
    Colin blickte in hilflosem Entsetzen auf die Stelle, an der sie hätte stehen müssen. Arjon und Lyssandra befanden sich neben ihm und ihre Mienen drückten ebenfalls verwunderte Enttäuschung aus. Himmel, was sahen sie? fragte Tabitha sich. Die gespenstischen Umrisse einer Frau, die weinend eine Katze im Arm hielt?
    Tabitha wollte zu Colin laufen, um ihn zu erreichen, ehe sie vollkommen verschwand - wollte ein letztes Mal seinen Geruch von Leder und Feuerholz einatmen. Aber sie berührte schon nicht mehr den Boden und jeder ihrer Schritte trug sie weiter von ihm fort.
    Sie rannte ohne Unterlass - da richtete sich Brisbane langsam auf, zog mit übermenschlicher Kraft das Schwert aus seinem Brustkorb und schickte sich an, es Colin in den Rücken zu rammen.
    Ein Schrei drang aus ihrer Kehle, doch sie war die Einzige, die ihn vernahm. Dann wurde alles schwarz, und die Wiese und Colin gab es für alle Zeiten nicht mehr.

29
    Weinend wachte Tabitha auf. Das Verlustgefühl war derart

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