Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wilder Als Ein Traum

Titel: Wilder Als Ein Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
Vom Netzwerk:
übermächtig, dass sie wünschte, tot zu sein.
    Aber wie so oft versagte ihr Wunschdenken auch jetzt; deshalb rollte sie sich auseinander, schüttelte sich Splitter aus den Haaren und richtete sich langsam auf.
    In ihrem zerknitterten, mit Grasflecken übersäten mittelalterlichen
Kleid saß sie mitten in ihrem Wohnzimmer. Jedes Mal, wenn sie sich bewegte, rieselten Splitter des Sicherheitsglases, das einst der Bildschirm ihres Computers gewesen war, auf den weichen Teppich. Der Monitor stand auf dem Schreibtisch und sein Innenleben war durch das riesige Loch in seinem Bauch zu sehen.
    Plötzlich setzte ihr Herzschlag aus. Der Gestank des Drachenatems stieg ihr in die Nase! Dann jedoch wurde ihr klar, dass es nur der Geruch geschmolzenen Plastiks und versengter Kabel war. Kleine Rauchwölkchen stiegen von dem Analyse-Block, wo das Amulett gelegen hatte, auf.
    Alles war genau so, wie sie es verlassen hatte. Ihre leere Eiscremedose stand in der Nähe des Fensters auf dem Fußboden. Der Umschlag, in dem die Videokassette ihrer Mutter gesteckt hatte, lag auf dem Kaffeetisch. Der Schnee, der in stiller Schönheit auf die Erde rieselte, erinnerte sie geradezu hämisch daran, dass der Winter die Stadt unerbittlich im Griff hatte.
    Wie konnte die Welt derart unverändert aussehen, wenn doch nichts wie vorher war?
    Niemand hatte sie vermisst, geschweige denn ihr Verschwinden bemerkt. Denn das Amulett hatte sie genau in dem Augenblick ihrer Abreise in die Vergangenheit zurückkehren lassen. Wenn sie nicht die schmerzliche Leere in ihren Armen und ihrem Herzen verspürt hätte, hätte sie glauben können, es wäre nie etwas geschehen. Sir Colin von Ravenshaw hätte nirgends außer in ihrer Fantasie existiert.
    Lucy kletterte ihr auf den Schoß und verlangte, gestreichelt zu werden. Tabitha drückte das Kätzchen fest an ihre Brust und vergrub ihr Gesicht in diesem weichen Knäuel. Das Tierchen roch nach feuchter Erde, grünem Gras und Wildblumen. Tabitha wiegte sich versonnen und atmete die
sommerlichen Düfte ein, als könne sie sie in ihren Lungen verewigen.
    Als sie ein leises Kling vernahm, brauchte sie einen Augenblick, bis ihr klar wurde, dass es die Glocke des Fahrstuhls war, die einen Besucher ankündigte. Das Sofa versperrte ihr die Sicht, aber wer auch immer dem Lift entstieg, begann zu reden, noch ehe die Türen wieder zuglitten.
    »… tut mir so entsetzlich Leid, mein Schatz. Ich hatte ja keine Ahnung, dass Onkel Cop dir einen derartigen Schrecken einjagen würde. Hoffentlich macht es dir nichts aus, dass Sven uns den Schlüssel zum Fahrstuhl überlassen hat. Als wir aus dem Flugzeug stiegen und Cop uns erzählte, was er angerichtet hat, sind wir sofort hergekommen. Wenn wir gewusst hätten, dass ein außerplanmäßiger Tankstopp im Bermuda-Dreieck so viel Aufregung verursacht, hätten wir dort nie Halt gemacht. Du wirst doch wohl nicht gedacht haben …«
    »Mama?« Tabitha blinzelte verwirrt in Richtung der kleinen brünetten Gestalt, die um das Sofa herumtänzelte. Sie trug Sandalen, einen geblümten Sarong und eine Sonnenbrille.
    Der Mann, der sie begleitete, steckte in einem wollenen Mantel mit hochgeklapptem Kragen. Seine breiten Schultern waren schneebedeckt und die silbrigen Strähnen an seinen Schläfen machten ihn noch attraktiver als in Tabithas Erinnerung. Er sah solide, vital und sehr lebendig aus.
    Er blickte sie aus denselben rauchig grauen Augen an, die auch sie hatte. »Allmächtiger, Baby, was ist mir dir passiert?«
    »Daddy?«, flüsterte sie erstickt, und dann tat sie etwas, was sie seit sehr langer Zeit nicht mehr getan hatte. Sie warf sich ihrer Mutter um den Hals und heulte sich die Augen aus dem Kopf, während ihr Vater ihr begütigend übers Haar strich.

    Am Ende erzählte sie den beiden alles.
    Angesichts ihrer eigenen Erfahrung mit dem Amulett mussten sie ihr glauben. Dafür, dass sie das Amulett über all die Jahre im Duschkopf versteckt hatte - statt es wie vereinbart zu zerstören -, erntete ihre Mutter von Tristan einen unwirschen Blick und ein strenges »Ich habe es dir doch gesagt«; aber, wie Tabitha bereits vermutet hatte, konnte er Arian nicht länger als ein paar Minuten böse sein.
    Sie saßen zusammen auf dem Sofa, bis der Schneefall endete und die Dämmerung den Himmel mit einem rosigen Schleier überzog. Ihr Vater hüllte sie in eine Decke, aber sie hörte nicht eher auf zu zittern, bis er sie linkisch packte und an sich zog. Ihre Mutter saß auf der anderen Seite und

Weitere Kostenlose Bücher