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Wilder Als Ein Traum

Titel: Wilder Als Ein Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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nicht lange genug, um unsere Nähe zu bedauern - falls sich herausstellt, dass Ihr eine von ihnen seid.«
    Sein bohrender Blick überzeugte sie davon, dass sie lieber nicht die Feindin dieses Mannes war; trotzdem blieb ihr Lächeln kühl. »Sicher werden Sie nicht lange genug leben, um irgendetwas zu bedauern - wenn Sie jetzt verbluten«, antwortete sie.
    Da ihre Vermutung sicher richtig war, erlaubte er ihr fortzufahren, und nachdem sie einen zweiten Streifen Stoff von ihrem Schlafanzug gerissen hatte, schob sie das weiche Lederhemd unter seiner Rüstung behutsam zurück und entdeckte eine Brust, die sich wohl weder mit Hilfe eines persönlichen Trainers noch eines teuren Fitness-Studios jemals erreichen ließ. Seltsamerweise schienen die zahllosen Furchen und Narben ebenso Teil von dieser Brust zu sein wie die dichten Wirbel dunkler Haare; Tabitha biss sich auf die Lippen, um nicht vollends die Konzentration auf die vor ihr liegende Aufgabe zu verlieren.
    Während sie den Stoff um seine Schulter legte, hob sie zufällig den Kopf und sah, dass er wie gebannt auf ihre Füße starrte. »Was für Wesen habt Ihr dafür umgebracht?« Er nickte in Richtung der Pantoffeln mit den leuchtend schwarzen Plastikaugen und den lebhaft auf und ab wippenden Barthaaren.
    Ihr Lächeln wurde wärmer. »Zwei fürchterliche Polyester.« Gerade, als sie den Verband zu einer hübschen Schleife binden wollte, richtete er sich abrupt auf.

    »Was ist los?« Sie hatte nichts gehört. Nichts außer der unheimlichen Stille, die auch seinem Erscheinen vorangegangen war.
    Hoffentlich rührte seine Anspannung nur von einer seiner Erschöpfung zuzuschreibenden Paranoia her. »Was ist los? Ich habe nichts gehört.«
    Mit erhobener Hand bedeutete er ihr zu schweigen. Lucy kauerte hellwach auf ihrem Hügel und ihre Nackenhaare sträubten sich. Das Pferd spitzte die Ohren und wieherte erschreckt. Dann endlich nahm auch sie es wahr, in weiter Ferne - wie das Echo eines bösen Traums.
    Donnernde Hufschläge. Bellende Hunde. Aufgeregte Männerstimmen.
    Der Fremde packte ihre Hand. »Flieht, Frau! Ich bin zu schwach zum Reiten, und wenn sie Euch hier mit mir finden, ergeht es Euch ganz bestimmt schlecht.«
    »Wenn das dieselben Kerle sind wie die, die Euch verletzt haben, dann bezweifle ich, dass es Euch besser ergehen wird«, stellte sie mit unleugbarer Logik fest.
    Bitter verzog er seine Mundwinkel. »Ich bin ein Mann. Mich werden sie höchstens an der nächsten Eiche aufknüpfen oder aber sie schneiden mir die Kehle durch. Ihr jedoch seid eine Frau. Falls Brisbanes Hunde Euch nicht sofort in Fetzen reißen, werden es seine Männer tun.«
    Plötzlich verlor Tabitha jede Lust an diesem Spiel. Am liebsten hätte sie Lucy auf den Arm genommen und wäre ans andere Ende der Wiese gerannt. Wie gerne hätte sie den Kopf gehoben, zum Himmel aufgeblickt und gejammert: »Ich will zu meiner Mama!«
    Doch ihre Mutter blieb unsichtbar, und das Drängen dieses Mannes war ebenso wirklich wie das Blut, das immer noch durch den provisorischen Verband in ihre Hände
sickerte - ebenso wirklich wie der Druck seiner Finger auf ihrem Arm, wie das verzweifelte Flehen in seinem wunden Blick.
    »Nehmt mein Pferd und reitet los«, wies er sie rüde an, »bevor es zu spät ist.«
    Statt freundlich und einladend sah der Wald plötzlich düster und bedrohlich aus - genau die richtige Kulisse für Schneewittchens böse Stiefmutter und eine ganze Plantage voll giftiger Apfelbäume.
    Mit jeder Sekunde schwoll das Bellen der Hunde weiter an.
    Tabitha bedachte das Pferd mit einem unsicheren Blick. »Ich bin noch nie geritten. Hat es vielleicht eine entfernte Ähnlichkeit mit Autofahren?«, fragte sie.
    Der Fremde lockerte seinen Griff und strich mit seinem Daumen über ihre Knöchel. »Geh, Mädchen«, sagte er sanft. »Zeit für Scherze hast du nicht.«
    Seltsamerweise war es diese zärtliche Zurechtweisung, aufgrund derer sie sich urplötzlich entschied.
    Tabitha würde niemals sagen, woher sie die Kräfte nahm, ihn neben sich zu ziehen und zu versuchen, ihn auf das Pferd zu hieven - wobei er sich die ganze Zeit in heftigen Beschimpfungen des sanfteren Geschlechts im Allgemeinen und seines Gegenübers im Besonderen erging. Hinsichtlich ihrer Charakterfehler erwähnte er sogar Details, beklagte ihren Starrsinn, ihren Ungehorsam und ihren bedauerlichen Mangel an Intelligenz. Als er zum dritten Mal vom Pferd herunterpurzelte, wobei er sie halbherzig am Ohr zog, musste sie sich ihre

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