Wilder als Hass, süsser als Liebe
vorne.« Er war ROSS den ganzen Abend kaum von der Seite gewichen, was natürlich eine Ehre war, wohl aber auch eine Maßnahme, um sicherzustellen, daß der Ferengi sich nicht das fröhliche Durcheinander zunutze machen würde und flüchtete. Um dieses Argument zu unterstreichen, war Jawer Mahmud Shahid nie weit entfernt.
Als der Nawab ROSS durch die Menge schob, murmelte er:
»Obwohl ich morgen früh die Stadt verlasse, ist es noch nicht zu spät, Eure Meinung zum Thema Flucht zu ändern. Ich flehe Euch an, Lord Kilburn, nehmt Euch meinen Rat zu Herzen, denn ich kann nicht für Eure Sicherheit garantieren, während ich fort bin.
Heute nacht, da die vielen Menschen für Durcheinander sorgen, ist ein perfekter Moment, zu entwischen.«
Sein Gastgeber war wirklich hartnäckig. ROSS lächelte sanft.
»Eure Sorge um mich ist sehr freundlich, aber Ihr seid es doch, der in den Krieg zieht. Gewiß seid ihr in größerer Gefahr als ich.«
Abdul Samut Khan legte die Stirn in Falten. »Als ich heute den Emir traf, ordnete er an, Ihr dürft nicht länger Besuch empfangen.
Er will nicht, daß Ihr in einen Verrat verwickelt werdet, solange er nicht hier ist.«
»Ich verstehe.« ROSS stolperte fast über eine Schildkröte, die eine kleine Öllampe auf dem Panzer trug. Ein paar der Tiere krabbelten im ruhigeren Teil der Gärten umher, um die Blumenbeete zu beleuchten. Er bückte sich, um die kleine Kreatur aus der Gefahrenzone zu heben. »Heißt das, ich muß in meinen Räumen bleiben?«
Es gab eine längere Pause, in der der Nawab offenbar überschlug, ob es von Vorteil war, den Gefangenen noch weiter einzuschränken. »Der Emir wollte es so, aber ich konnte ihn überreden, daß er Euch zumindest die Freiheit meines Grundstücks gewährt. Natürlich werdet Ihr die ganze Zeit bewacht sein.«
»Natürlich.«
Sie erreichten die mit Stricken eingefaßte Fläche, wo der Tanz stattfinden sollte. Die Tänzer waren in einem Zelt an einer Seite untergebracht, aus dem glockenhelles Gekicher zu ihnen herausdrang. Musiker hatten schon eingesetzt, und die Nachtluft vibrierte von Flöten, Trommeln und Saiteninstrumenten, die ROSS
nicht identifizieren konnte. Es war eine leidenschaftliche Musik, unter der leisere klagende Töne mit tiefen, erdgebundenen Klängen verwoben waren.
Abdul Samut Kahn geleitete seinen Gast zu einer Seite des Tanzbodens, an der Teppiche und Kissen für die wichtigeren Gäste auf Podesten ausgelegt worden waren. An den anderen Seiten des Karrees sammelten sich nun die Zuschauer, und ROSS
bemerkte, daß Juliet sich einen Platz direkt gegenüber von ihm aussuchte. In ihrem Schweigen und den dunklen Schleiern schien sie wie eine Mahnung auf diesem Fest, wie eine Erinnerung daran, daß die fröhliche Ungezwungenheit bald vorüber sein würde.
Er hoffte, daß sie sich unter ihrem Tagelmoust dennoch amüsierte.
Es war wirklich ein nettes Fest, wenn man über die Tatsache hinwegsehen konnte, daß dieser Abend vielleicht ihr letzter gemeinsamer war. Nur knappe vierund-zwanzig Stunden später wollten sie ihren waghalsigen Fluchtversuch unternehmen, und wenn irgend etwas schiefging, dann erlebten sie vielleicht nicht einmal mehr die folgende Dämmerung.
ROSS riß seinen Blick von ihr los; plötzlich konnte er es kaum mehr erwarten, mit ihr allein zu sein. Er würde dem Tanz lange genug zusehen, um seinen Gastgeber zufriedenzustellen, und sich dann entschuldigen.
Ein Ruf ging durch die Menge, als sechs Tänzer auf einmal auf die Tanzfläche wirbelten, mit den Fingern schnippten und die Glöckchen an den Fingern klingeln ließen. Gewöhnlich waren es tanzende Jünglinge, doch hier traten Frauen auf - geschmeidige, üppig gebaute Frauen, deren Körper Bewegungen einstudiert hatten, die die Phantasie jedes Mannes erregen sollten. Ihre farbenfrohen Kostüme ließen sehr viel nackte Haut frei, doch ihre Gesichter waren mit durchscheinenden Schleiern verhüllt, unter denen man vage weiche Gesichtszüge erkennen konnte. Für eine orientalische Zuschauerschaft war diese Offenherzigkeit so provozierend wie für ein europäisches Publikum eine hauchdünn verschleierte Brust.
Der erste Tanz war langsam, jeder der folgte, bekam mehr Tempo.
Die wirbelnden Röcke und sich wiegenden Hüften bedeuteten eine Einladung, die so alt war wie die Zeit selbst, und bald klatschte die Menge im Rhythmus der Musik, was der Nacht eine seltsam drängende, fiebrige Note verlieh. Beim vierten Tanz änderte sich die Musik, und die erste
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