Wilder als Hass, süsser als Liebe
Silber, als sie ihn provozierend anlächelte.
»Ich habe das aus der Seide, die ich von Hafiz’ Vater gekauft habe, improvisiert. Und jetzt beweise ich dir, daß es nichts gibt, was unser plumpes Mäuschen besser kann als ich.«
ROSS blieb die Luft im Hals stecken, und einen Augenblick konnte er wirklich nicht atmen. Eine Kordel um Juliets Hüften hielt einige Schichten hauchdünnen Stoffes, die fast über ihren Schultern zu schweben schienen und ihren Oberkörper einhüllten, aber nichts verbargen. Obwohl sie von
Kopf bis Fuß bedeckt war und selbst ihr Haar durch einen Schleier schimmerte, verlieh die Durchsichtigkeit des Stoffes den Eindruck totaler, verführerischer Nacktheit.
Sie wirbelte anmutig bis in die Mitte des Raumes, und die Schleier flogen wie Rauchschwaden um sie herum. Unwiderstehlich wie Delilah sagte sie rauh: »Soll ich für dich tanzen?«
»Ja, tanze für mich«, flüsterte ROSS, als er sich auf dem Diwan niederließ, ohne den Blick von ihr wenden zu können. »Bitte!«
Einen Moment lang schloß Juliet die Augen und stimmte sich auf die kraftvollen Klänge ein, die durch die Nacht zu ihnen heraufdrangen. Dann begann sie, sich sanft zu wiegen. Zuerst bewegten sich ihre Arme, dann ihr geschmeidiger Oberkörper, schließlich ihre Hüften und Beine, bis ihr gesamter Körper zum Ausdruck der Musik wurde.
Juliet war eine geborene Tänzerin. ROSS wußte, daß sie als Kind die Tänze aus den Highlands gelernt und später die standardisierten Figuren europäischer Ballsäle mühelos gemeistert hatte. Doch der Himmel hatte eine Ahnung, was für exotische Darbietungen sie über die letzten Jahre gesehen oder gelernt hatte.
Nun zog sie alles, was sie jemals erfahren hatte, heran, um ihm einen sinnlichen Tanz zu erschaffen, der ganz und gar ihr eigen war.
Wie in Trance beobachtete er, wie sie Geist und Bewegung in Einklang mit der Musik brachte, bis Tanz und Tänzerin schließlich nicht mehr zu trennen waren. Juliet war Feuer, Anmut und Freiheit, und es war all das, was er stets an seiner Frau geliebt und gefürchtet hatte.
Doch am meisten war sie verkörperte Begierde, und ohne ihn einmal zu berühren, erregte sie ihn zu fiebrigen Höhen. Die gleitenden Schichten der Schleier verbargen und offenbarten ihren Körper abwechselnd. Ein kurzer Blick auf ein langes schlankes Bein, gefolgt von einem erregenden Aufblitzen einer aufgerichteten Brustspitze, dann das dunkle Dreieck ihrer Scham. Rotes Haar, weiße Glieder, rauchige Seide; mehr brauchte es nicht, ein Feuer zu schüren.
Doch Zusehen war nicht genug. Als sie das nächste Mal in seiner Reichweite vorbeiwirbelte, bekam er den Schleier über ihrem Haar zu fassen und zog daran, um die glänzende rote Flut zu enthüllen.
Sie lachte und hielt das andere Ende fest. »Tanz mit mir, o mein Meister.«
ROSS verstand ihre Einladung. In vielen Gesellschaften des Mittleren Ostens, in denen Männer und Frauen sich nicht in der Öffentlichkeit anfassen durften, war es ihnen beim Tanzen erlaubt, sich mit einem Tuch oder einem Schal ohne physischen Kontakt zu verbinden. ROSS erhob sich und begann, mit Juliet durch den Schleier verbunden, sich zu der Musik zu bewegen.
Langsam umkreisten sie sich und waren so versunken, als würde die Welt sich um sie drehen, während sie still voreinander standen. Er hatte Juliet bei einem Walzer kennengelernt, einem dieser formellen Tänze mit oberflächlicher Konversation und unterströmender Begierde, und selbst damals hatten sie schon ein schweigendes Einverständnis in ihrem Rhythmus gespürt. Nun schloß sich der Kreis, und in der dunklen Hitze Zentralasiens waren sie beide wie Spiegelbilder in einem Pas de deux der Leidenschaft.
Während er sich zur Musik bewegte, stellte ROSS fest, daß er unbewußt Schritte tat, die er nie gelernt hatte. Bald improvisierten sie Muster steigender Komplexität, ihre Bewegungen so perfekt aufeinander abgestimmt, als würden sie nur von einem einzigen Geist kontrolliert. Ihre Gesten und Schritte wurden schneller, dramatischer, und sie entfernten sich die ganze Länge des Schleiers voneinander, nur um dann wieder aufeinander zu zu wirbeln - nah genug,
um die gegenseitige Hitze zu spüren, doch ohne sich einmal wirklich zu berühren.
Er hob den Arm, und sie drehte sich darunter, ihr fliegendes Haar eine fedrigweiche Woge aus Rot, Gold und Bernstein. Das Tempo der Musik beschleunigte sich und pulsierte in einem uralten Ritus der Fruchtbarkeit, der nur eine einzige Folge haben
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