Wilder als Hass, süsser als Liebe
erwischt.«
»Zwei«, korrigierte Juliet stolz. »Bei seiner üblichen Trefferquote hat der erste Schuß bestimmt einen direkt getötet.«
Sie schaute hoch und sah eine schwarze Qualmwolke über sich, die sich in dem steifen Wind rasch auflöste. Sie erhaschte einen kurzen Blick auf seinen weißen Turban und dachte mit Unbehagen daran, wie prekär seine Position dort oben war; wie gut, daß ROSS keine Höhenangst hatte.
Ein weiterer Schuß krachte los und hallte von der gegenüberliegenden Seite wider. Juliet wußte sofort, daß etwas nicht stimmte, denn das Gewehr hatte sich wie eines der Bucharer angehört, kam aber von ihrer Seite der Schlucht.
Im nächsten Augenblick und direkt vor ihren entsetzten Augen rutschte ihr Mann über die Felskante, gleichzeitig ertönte ein heiserer Triumphschrei, der grausam in der Schlucht widerhallte.
ROSS fiel mit entsetzlicher Langsamkeit, sein Sturz wurde gebremst durch dornige Büsche, die aus der felsigen Oberfläche herauswuchsen. Ein Ast verfing sich in seinem Turban und riß ihn auf, so daß weißer Stoff wie ein Banner im Wind flatterte und das goldene Haar in der Sonne funkelte.
Sein Gewehr flog lautlos in der gleißenden Sonne, bis es dann irgendwo mit einem harten metallischen Scheppern auf Stein traf.
Dann verschwand er außer Sicht, als er auf dem Vorsprung, unter dem, von dem aus er geschossen hatte, landete.
»Ross!« schrie Juliet. Fast blind vor Entsetzen und erfüllt von einer übelkeiterregenden Furcht, bemerkte sie nicht einmal, daß sie aufgesprungen war und schon losstürmte, bis lan sie packte und grob zu Boden riß.
»Himmel, Juliet!« fluchte er. »Wenn du zu ROSS willst, dann beweg dich gebückt! Du kannst ihm nicht helfen, wenn du auch erschossen wirst. Gib mir das Gewehr! Ich versuche, dich zu decken.« Er löste die Waffe aus ihren gefühllosen Fingern, dann entsicherte er die Pistole und drückte sie ihr in die Hand. »Nimm die. Vielleicht brauchst du sie.«
Wie in Trance nahm sie die Waffe, nur damit lan sie endlich zu ihrem Mann gehen ließ. Als er sie endlich freigab, stürmte sie augenblicklich den steilen Pfad hoch, wobei sie sich gerade nur etwas abduckte.
lan blickte seiner Schwester einen Augenblick hinterher, dann wandte er sich um und richtete den Gewehrlauf auf die Schlucht.
Er feuerte, nur um dem Feind zu zeigen, daß die Ferengis noch im Geschäft waren. Zu seiner Überraschung ging die Kugel tatsächlich dorthin, wo er sie hinhaben wollte. Mit grimmigem Humor begann er, ernsthaft zu schießen. Der Verlust seines Auges schien sein Schützentalent keinesfalls beeinträchtigt zu haben.
Berauscht von seinem Triumph, begann Shahid zu seinem Opfer hinabzuklettern. Es konnte sein, daß Kilburn noch lebte, denn Shahid hatte aus einem ungünstigen Winkel schießen müssen, und der Sturz reichte allein nicht unbedingt aus, den Ferengi umzubringen, es sei denn, er wäre sehr unglücklich aufgeschlagen. Zuerst wollte Shahid sich vergewissern, daß der Ferengi tot war; dann würde er zu dem höheren Vorsprung klettern und von dort aus in aller Ruhe die anderen erledigen.
Nun, wenn er vorsichtig war, konnte der Targi vielleicht lange genug leben, um vorher noch gedemütigt zu werden. Mit der Waffe schußbereit
in der Hand, bahnte sich der Usbeke seinen Weg nach unten.
Als Juliet auf den Vorsprung stolperte, auf den ROSS gestürzt war, stellte sie fest, daß die Fläche aus unerwartet weichem Sand und Kies, die durch Grasbüschel zusammengehalten wurden, bestand.
Sie betete, daß dieser relativ federnde Grund die Gewalt des Aufpralls gemildert hatte.
ROSS lag auf der Seite, sein Gesicht entspannt und schön, als würde er schlafen, doch das Blut in seinen blonden Haaren besagte etwas anderes. Ihre Atmung ging stoßweise und flach vor Angst und Entsetzen, als sie sich neben ihn kniete und schien Puls am Hals suchte. Als sie ihn zuerst nicht finden konnte, drohte die überwältigende Furcht sie zu ersticken, doch da, wundersa-merweise, spürte sie ein kräftiges Schlagen unter ihren Fingerspitzen, ein Pulsieren, das nicht nur sein Leben re-präsentierte, sondern auch ihres. Denn wenn ROSS sterben würde, wäre der größte Teil von ihr ebenfalls tot.
In ihrem Herzen war ein Durcheinander von Gebeten, Dankbarkeit und Schwüren über das, was sie tun würde, wenn Gott ihren Mann nicht verschonte, dann legte sie die Pistole auf den Boden und untersuchte ROSS. Offensichtlich hatte die Kugel seinen Schädel gestreift, es schienen aber
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