Wilder Engel (German Edition)
richtige Einstellung, fürchte ich.
Werde ihm morgen eine SMS schicken: »Kann leider nicht am Samstag. Übe mich mal wieder im Kristallzüchten. Danke für alles. Deine A.«
Oder eine wenigstens ähnlich glaubhaft klingende Ausrede. Mir wird schon was einfallen.
24. Oktober 96
Tja, mir ist leider nicht genug eingefallen.
Am vergangenen Samstag war der Akku meines Handys völlig hinüber. Es hatte sich schon ein Weilchen angekündigt, aber ich kaufe ungern neue Technik ein. Ich warte damit immer bis zum letzten Moment, bis das alte Teil definitiv hinüber ist. Es ist mir einfach zu lästig, dauernd neue Bedienungsanleitungen zu lesen und dann trotzdem noch stundenlang herumtüfteln zu müssen, bis die teure Neuanschaffung endlich einigermaßen funktioniert.
Am schlimmsten ist es ja mit Computern, aber ein neues Handy kann eine wie mich auch bereits zur Verzweiflung treiben. Ich sage nur – Kristallzüchten! Ich bin einfach für solche Sachen nicht geboren.
Außerdem ist es ja doch so: Wenn ich meine Wäsche waschen will, erwarte ich von der Waschmaschine, dass sie einfach zu bedienen ist und einwandfrei viele Jahre lang funktioniert, sprich die Wäsche wäscht. Ohne dass ich selbst etwas von der Funktionsweise oder gar dem inneren Aufbau meiner Miele zu wissen brauche.
Bloß bei diesen Scheißcomputern – und Scheißhandys natürlich auch – braucht man heutzutage einen Ingenieursgrad, zumindest bei der »Inbetriebnahme«. Aber auch zwischendurch. Und dann soll man sich noch PIN-Nummern, Passwörter und was weiß ich noch alles merken.
Also jedenfalls war mein altes Handy hinüber und ein neues noch nicht gekauft.
Deshalb rief ich Berthold von einer Telefonzelle aus an. (Ich wollte vermeiden, dass er hinterher meinen Privatanschluss in seinem Handy gespeichert hatte.)
Um es kurz zu machen: Er lachte sich halb kaputt über die Story von meinen angeblichen neuerlichen Kristallzuchtversuchen!
In der Folge gelang es ihm dann, mich doch noch zu überreden, mit ihm auszugehen.
Auch mein Einwand, ich müsste dringend in der Galerie vorbei, wo einige meiner eigenen Bilder ausgestellt seien, half nicht.
»Wunderbar, da begleite ich dich doch glatt!«, rief Berthold begeistert. »Ich bin ja sooo gespannt auf deine Arbeiten.«
Jetzt hatte ich den Salat.
Zum Glück besitzt meine alte Schulfreundin Karin tatsächlich eine winzige Galerie in Haidhausen, wo sie allerdings meistens nur irgendwelchen Silberschmuck aus Mexiko anbietet.
Ich rief sie an, und sie sagte auch sofort ja.
Also karrte ich am Nachmittag noch rasch einige Bilder, die ich sonst unter meinem Bett lagere, nach Haidhausen. Karin und ich mussten zuerst den halben Laden umräumen, um genug Platz dafür zu finden.
Meine alte Schulfreundin war auch ganz begeistert, weil sie dadurch endlich die Gelegenheit bekam, den seit Jahren herumliegenden Silberkram wieder einmal – und mit meiner Hilfe – gründlichst durchzuputzen.
Als ich nach Hause zurückkehrte, war ich jedenfalls staubig und schmutzig von Kopf bis Fuß und außerdem auch noch hundemüde.
Ich legte mich ein Weilchen hin. Als ich aufwachte, war es fast schon an der Zeit, mich mit Berthold zu treffen.
Besonders zurechtmachen konnte ich mich also nicht mehr, aber das hatte ich ohnehin nicht vorgehabt. Berthold war von jeher nicht die Sorte Mann gewesen, die mich vom Sockel haute. Dafür war er aber ein erstklassiger Kristallzüchter. Ist ja auch was Schönes.
Berthold bestaunte also zunächst meine Bilder in Karins Laden – »Das hätte ich dir wirklich nicht zugetraut, Angela! Alle Achtung!« – , ehe er mich wie versprochen zum Essen ausführte.
Übrigens lud er netterweise auch Karin ein, aber die sagte, sie könne leider nicht, weil ihr neuer Lover dieses Wochenende Zeit für sie habe, seine Frau sei nämlich mit den Kindern zu ihren Eltern gefahren.
»Ach so«, sagte Berthold und räusperte sich jovial. »Das verstehe ich natürlich. Ich hoffe, es wird ein schönes Wochenende.«
Ich konnte an Karins Gesichtsausdruck ablesen, dass auch sie sich nicht völlig sicher war, was Berthold damit eigentlich ausdrücken wollte.
Das Essen war übrigens vorzüglich, wir tranken auch eine Menge Rotwein dazu.
Und so kam es, dass ich schließlich doch anschließend in Dr. Berthold Aschenbrenners Kiste landete.
Das war auch gar nicht so schlimm, weil er nämlich bereits abfeuerte, ehe er richtig einlochen konnte!
»Auwauweia, Schätzle!«, seufzte Berthold. »’tschuldige, du!
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