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Wilder Engel (German Edition)

Wilder Engel (German Edition)

Titel: Wilder Engel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanette Sanders
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trotzdem einzuwerfen.
    »Ach, du lieber Himmel!« Jetzt schlug Maggie tatsächlich auch noch entsetzt die Hände über dem Kopf zusammen. »Fotografen gibt es auf dieser Insel doch schon wie Sand am Meer. Buchstäblich! Die einen versuchen sich in kitschigen Postkarten, und die anderen klappern die Nachtclubs ab. Immer auf der Suche nach armen, betrunkenen Opfern, die am nächsten Tag schamerfüllt das Foto in der Toilette verschwinden lassen müssen, auf dem sie mit dieser halbnackten fremden Frau auf dem Schoß zu sehen sind.«
    »Ich bin Künstler«, sagte Allister schlicht.
    Nun war Maggie doch einen Augenblick lang sprachlos. Sie fing sich allerdings rasch wieder, immerhin trieben sich auf Teneriffa jede Menge Leute herum, die sich Künstler schimpften. Die meisten davon waren vor allem Lebens künstler , Maggie kannte sich da aus.
    Trotzdem mochte sie diesen gutaussehenden Schotten, und dumm schien er auch nicht zu sein. Wahrscheinlich hatte ihn bloß sein Mädchen wegen eines anderen Kerls verlassen, und jetzt lief er eben eine Weile innerlich Amok, bis sich was Neues und hoffentlich Besseres fand.
    »Künstler, soso, na ja.«
    Allister entwickelte an dieser Stelle das dringende Bedürfnis, sich zu verteidigen.
    »Eigentlich bin ich Computerfachmann. Ich bin über die Fraktale der Chaostheorie zur Kunst und zur Fotografie gekommen.«
    »Was Sie nicht sagen, das ist ja hochinteressant!«, sagte Maggie und setzte sich Allister gegenüber auf den anderen freien Stuhl am Tisch. »Nicht, dass ich was davon verstünde. Verstehen Sie mich nicht falsch.«
    Er kramte aber bereits in der Gesäßtasche seiner Jeans herum und zog endlich ein etwas zerknittertes Farbfoto an Land. Ohne ein Wort hielt er es Maggie unter die Nase.
    Sie nahm ihm das Bild aus der Hand und betrachtete es aus einem bekömmlicheren Abstand.
    »Steine, hm. Hübsch. Hübsche Muster.«
    »Steine, die natürliche Strukturen aufweisen, ja!«, erklärte Allister geduldig. »Man findet solche feinen Strukturen überall in der Natur. Etwa im Zweiggespinst eines Baumes, in den züngelnden Flammen eines offenen Feuers. Oder denken Sie an das Gewebe von Moosen oder Flechten an einem Felsen.«
    Maggie nickte heftig. »Ich hab sogar heute Morgen was in der Richtung am Boden einer leeren Tasse gefunden, ob Sie’s nun glauben oder nicht! Ein Gast hatte heiße Schokolade bestellt, ein kleiner Rest von Kakao war eingetrocknet. Dabei ist auch so ein putziges Muster entstanden. Bei mir hat das schlagartig Erinnerungen geweckt. Wissen Sie, meine Großmutter selig hat aus solchen Sachen nämlich immer die Zukunft herausgelesen. Und ihre Voraussagen waren ganz schön clever, das Meiste ist eingetroffen.«
    »Ich glaube Ihnen«, sagte Allister schlicht.
    »Sie verkaufen also Fotos von Steinen. Kann man denn davon leben? Ich meine, hübsch sind sie ja, aber …« Maggie konnte es einfach nicht lassen. Ihre mütterliche Ader war stärker. Und ihre Neugier auch.
    »Ich fotografiere alle möglichen natürlichen Strukturen oder Fraktale, wie die Mathematiker diese Muster nennen. Außerdem lassen die Dinger sich am Computer simulieren, mittels so genannter nichtlinearer Rechenregeln. Was dabei herauskommt, nennt man mathematische Fraktale. Durch Verfremdung entsteht schließlich wiederum Kunst daraus. Eine Art Computergrafik, wenn Sie so wollen.«
    »Na, das klingt wenigstens modern. Damit lässt sich sicherlich was anfangen. Wollen Sie noch einen Kaffee?«
    Für Maggie war das Thema hiermit offensichtlich abgeschlossen.
    »Nein, danke. Ich sollte mich auf den Heimweg machen. Hatte eine lange Nacht.«
    »Wo wohnen Sie denn?«
    »Derzeit noch im Hotel. Aber ich suche mir wohl besser bald ein kleines Apartment, das kommt billiger. Apropos, was bin ich Ihnen schuldig?«
    »Ach, lassen Sie mal. Der Kuchen war ohnehin von gestern. Halten Sie Ihr Kleingeld zusammen, Junge, wenn ich Ihnen einen Rat geben darf.«
    »Das kann ich doch nicht …«
    »Klar können Sie, ich bestehe darauf. Und wenn Sie erst berühmt sind mit Ihrer Kunst, dann hätte ich gern so ein Foto mit Steinen darauf. Inklusive handsignierter Widmung. Das fände ich hübsch. Würde sich gut machen in unserer Küche.« Maggie wedelte mit ihrer Rechten in Bobs Richtung, der langsam ungeduldig zu werden schien und im Hintergrund mit den Schlüsseln klapperte.
    Allister begriff, dass er an dieser Stelle besser aufgab. Immerhin hatte das Gespräch mit Maggie die Dinge wieder einigermaßen zurechtgerückt. Das

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