Wilder Oleander
schriftlichen Unterlagen. »Dort ist belegt, dass in der Nacht des 17 .Mai ein Kind aus White Hills, Texas, abgeholt wurde.
Mein
Kind. Wohin wurde es gebracht?«
Fallon zuckte mit den Schultern. »Was weiß ich«, sagte er und fragte sich leicht amüsiert, wie weit er dieses Spielchen treiben konnte. Was würde diese Frau noch anstellen, um an Informationen heranzukommen? Da sie angebissen hatte,
wollte er sie erst mal zappeln lassen, dann einholen, ihr die Gurgel aufreißen und sie in die Pfanne hauen.
»Ein Mann, der mit Ihnen zusammengearbeitet hat, Spencer Boudreaux, erwähnte meinem Ermittler gegenüber, dass Sie sich mal gebrüstet hätten, eine Aufstellung über alle Adoptionen zu besitzen. Als Absicherung, wie Sie es nannten.«
Er zupfte an den gestärkten Manschetten seines Vierhundert-Dollar-Hemds.
»Diese Aufstellung möchte ich haben«, sagte sie.
Fallon entfernte einen Fussel vom Ärmel seines dunklen Anzugs. »Diese so genannte Aufstellung, die mich
scheinbar
mit Babyhandel in Verbindung bringt, Miss Tyler … Wenn Sie mit dieser Information hausieren gehen, wird nur offenkundig, inwieweit Sie selbst involviert sind – eine abgeurteilte Mörderin, die im Gefängnis entbunden hat. Eine entflohene Verbrecherin, hinter der das FBI her ist. Man wird Sie verhaften.«
Jetzt wurde Abby klar, von wem der Zeitungsartikel und die Drohung »Du bist die Nächste« stammte. Dass Fallon unbemerkt einen Mittelsmann in The Grove eingeschleust hatte, war mehr als beunruhigend.
Als er ihren Gesichtsausdruck bemerkte, sagte er: »Ich weiß genau, wer Sie sind.«
»Ich möchte diese Aufstellung.« Sie ließ sich nicht einschüchtern.
Vanessa war nervös geworden. Um nichts auf der Welt würde sie wieder ins Gefängnis gehen. Jack seinerseits stellte Mutmaßungen über Fallons Begleiter an. Er konnte Anwalt sein oder Buchhalter, aber auch von der Staatsanwaltschaft.
Die nächste Bemerkung kam Fallon genüsslich über die Lippen. Eine Frau um Gnade winseln zu sehen konnte wahrlich stimulierend sein. »Sie sagten, ich hätte diese Aufstellung als Absicherung angesehen. Ich habe mich abgesichert, das ja.
Aber nicht in der Form, wie Sie sich das vorstellen.« Damit zog er einen weißen Umschlag aus seiner Brusttasche. »Dies hier ist ein auf Sie ausgestellter Haftbefehl. Miss Tyler – oder sollte ich sagen Miss Emily Louise Pagan? –, ich bin gekommen, um Sie wieder ins Gefängnis zu bringen.«
»Grove Bodenkontrolle!«, schrie Francesca ins Funkgerät. »Hier ist Cessna 1277 X-ray. Können Sie mich hören?« Im Geiste verpasste sie sich einen Tritt in den Hintern. Sie wusste, weshalb sie in der Patsche steckte! Sie war in der Wüste aufgewachsen, hatte in der Wüste ihre ersten Flugstunden absolviert. Es war der Gedanke an die unbekannte und plötzlich aufgetauchte Großmutter – Warum hatte der Vater ihr diese Lucy Fallon unterschlagen? –, der sie vom Navigieren abgelenkt und zu einer Fehleinschätzung der Situation verleitet hatte. Jetzt hielt sie direkt auf einen Sandsturm zu, aus dem es kein Entrinnen gab. Sie versuchte, auf einer anderen Frequenz Kontakt zu bekommen. »Cessna 1277 X-ray ruft The Grove. Befinde mich fünf Meilen südlich. Erbitte Landeinstruktionen!«
Der Wind tobte jetzt mit einer Stundengeschwindigkeit von achtzig Meilen. Die Sicht wurde drastisch eingeschränkt. Francesca schaltete die Landescheinwerfer ein, konnte jedoch den Boden nicht ausmachen. »Grove, hier Cessna 1277 X-ray. Erbitte dringend Unterstützung!«
Sie schaltete die Scheinwerfer am Fahrgestell ein und hielt Ausschau nach der Landepiste. Nichts zu erkennen. Es war, als flöge sie durch ein braunes Meer. Das Flugzeug bockte und bebte. Prallte mit dem Vorderteil an ein Hindernis. Francesca sah Flammen aufzüngeln. Sie verlor die Kontrolle. »Mayday! Mayday! Meine Maschine brennt! Ich geh runter! Grove-Kontrolle, können Sie mich hören? Grove … «
Der Sturm heulte um den Bungalow, das Licht flackerte, im Garten stürzten Bäume um. »Dann verhaften sie mich doch«, meinte Abby zu Fallon und streckte ihm die Hände entgegen.
Aller Augen richteten sich auf Fallon. »Mir ist es Ernst damit«, sagte er ungerührt.
»Mir auch«, erwiderte sie. »Diese Hunderte von Namen, Daten, Orte, diese Aufzeichnungen über leibliche Mütter und Adoptivfamilien weisen alle auf Sie hin, Mr.Fallon.« Sie deutete auf die Fotokopien. »Und ich werde sie veröffentlichen.« Er lachte. »Wer würde Ihnen schon glauben, Ihnen, einer
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