Wilder Oleander
der Gründungsmitglieder.«
»Bedaure.«
Sissy legte auf und starrte erst einmal verständnislos das Telefon an, um dann die nächsten fünfzehn Minuten damit zu verbringen, jeden Fitness-Club in und um Rockford herum anzurufen. Keiner hatte Ed und Hank als Mitglieder verzeichnet.
Wo steckte ihr Mann?
Sie rief wieder zu Hause an und bat ihre Schwiegermutter um die Privatnummer von Eds Sekretärin. »Ist etwas passiert?«, fragte Mrs.Whitboro Senior erschrocken.
»O nein«, erwiderte Sissy. »Ich hab nur ein paar Einträge in meinem Kalender durcheinander gebracht.« Sollte sie fragen: »Bist du sicher, dass Ed gesagt hat, er will abends Badminton spielen?« Aber dann wäre seine Mutter nur skeptisch geworden und hätte unnötigerweise Verdacht geschöpft. Sissy war überzeugt, dass dazu keine Veranlassung bestand. Ed war höchstwahrscheinlich bei Hank zu Hause und versuchte, sie von dort aus anzurufen.
Eds Sekretärin meldete sich. »Hallo, Susan, Sissy Whitboro. Tut mir Leid, Sie zu stören, aber ich brauche Hank Curlys Privatnummer. Sie haben sie doch?«
»Wessen Nummer?«
Sissy umklammerte den Hörer. »Die von Hank Curly. Dem Verkaufsdirektor.«
»Bedaure, Mrs.Whitboro, aber ich kenne keinen Hank Curly. Unser Verkaufsdirektor ist Jim Phelan. Seit sechs Jahren schon.«
Sissy starrte die Wand ihres Wohnzimmers an. Durch die Ziegel und Farbe hindurch, über die Pflanzen draußen und über den Grasteppich zwischen den Häuschen hinweg und durch weitere Ziegel und Farbe konnte sie förmlich spüren, wie ihre Nachbarn die Puppen tanzen ließen.
»Mrs.Whitboro? Alles in Ordnung mit Ihnen?«
Sissy murmelte eine Entschuldigung und legte auf, rief wieder die Auskunft an. Weder in Rockford noch in Illinois noch in den angrenzenden Staaten gab es einen Eintrag für Hank Curly.
Den Telefonhörer in der Hand, das Herz bis zum Halse klopfend, saß sie wie erstarrt da. Eine unheilvolle Ahnung stieg in ihr hoch, Erinnerungen drängten sich auf. Wie Ed bei der Weihnachtsfeier in der Firma gesagt hatte: »Liebling, du hast Hank knapp verpasst. Er musste weg. Eines seiner Kinder ist irgendwo auf dem Eis ausgerutscht … « Und während eines Grillfests bei ihnen: Da war Ed ins Haus gegangen, weil, wie er behauptete, das Telefon geläutet hätte, um dann zurückzukommen und zu sagen: »Das war Hank, er musste absagen.« All diese Male, die sie Hank »knapp verpasst« und von dem Ed so viel erzählt hatte, dass sie sich ein Bild von ihm machen konnte – »Ich beneide Hank um sein dickes Haar«, »Hank hat Augen wie ein Adler, im Gegensatz zu mir braucht er keine Brille.« - und meinte, ihn persönlich zu kennen.
Die grausame Wahrheit entlud sich wie ein eisiges Gewitter über ihr: Hank Curly, der Mann, mit dem Ed angeblich seit drei Jahren zwei bis drei Mal pro Woche abends Badminton spielte, existierte gar nicht.
Sie griff nach der Dokumentenmappe und stülpte sie kopfüber, sodass der restliche Inhalt wie Herbstlaub auf ihr Bett rieselte. Was sie sah, waren weitere vernichtende Beweise: Restaurantrechnungen, Abschnitte von Bordkarten, Lastschriften für Mietwagen sowie eindeutig mit Eds Unterschrift versehene ungültig gemachte Schecks. Sissy ging alle Belege durch, noch immer in der Hoffnung, dem Missbrauch auf die Spur zu kommen, der sich unrechtmäßig angeeigneten Identität, der Fälschung, dem ungeheuerlichen Verbrechen, das hier ruchbar wurde. Aber letzten Endes wurde ihr klar, dass der Übeltäter Ed war. Und niemand Schindluder mit seinem Namen getrieben hatte. Ihr Ehemann hatte heimlich ein zusätzliches Konto eröffnet und es heimlich aufgefüllt, um das Guthaben für seine mit heimlichen Kreditkarten bezahlten Ausgaben zu verwenden.
Die Abrechnungen erstreckten sich über die letzten fünf Jahre.
Vor fünf Jahren war ich schwanger, erwartete die Zwillinge.
Sie schloss die Augen. Telefonsex, Abbuchungen für Blumen und Hotels. Ed, der sich einer Schlankheitskur unterworfen, sich plötzlich flotter gekleidet, sich einen Sportwagen zugelegt hatte. Ed, der darauf gedrängt hatte, dass sie nach The Grove fuhr, gewissermaßen die Koffer für sie gepackt hatte. »Du hast dir einen Urlaub verdient. Ich werde die Stellung halten.«
Die klassischen Anzeichen.
Die Augen voller Tränen, sah sie sich die Abrechnungen genauer an. Einige Daten waren dort vermerkt, an denen Ed ihrer Erinnerung nach angeblich in Seattle oder St. Louis war. Hier aber stand Chicago. Und wenn sie jetzt nachdachte, dann hatte Ed
Weitere Kostenlose Bücher