Wilder Oleander
überkam sie das noch beschämendere Gefühl, das Buch kaufen zu wollen. Warum eigentlich nicht? Sie war erwachsen, eine gestandene Ehefrau und Mutter. Sie erwarb alle vier.
Bei ihrer Rückkehr blinkte der Anrufbeantworter. Ed hatte sich gemeldet!
Aber wie sich herausstellte, war es eine Nachricht von Vanessa Nichols, die sich entschuldigte, die Verabredung mit Abby Tyler abermals verschieben zu müssen. Was, wie sie noch hinzufügte, Sissy hoffentlich nicht allzu große Unannehmlichkeiten bereite. Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Diesem Telefonsex, den Ed heimlich betrieb (wenn es denn so
war), auf die Spur zu kommen, hatte Sissy derart aufgewühlt, dass sie gar nicht mehr an die Verabredung mit Ms. Tyler gedacht hatte.
Und Ed hatte sich noch immer nicht gemeldet.
In Rockford war es jetzt neun, mittlerweile würde ihm seine Sekretärin gesagt haben, dass sie, Sissy, angerufen hatte. Eine unheilvolle Ahnung braute sich in ihr zusammen. Sie bestellte sich beim Zimmerservice etwas zu essen – gebratenen Speck, Kopfsalat und Tomaten auf Roggentoast sowie eine Portion Fritten – und trat hinaus auf den Patio, um nachzudenken. Der Mond ging gerade auf, Musik und Duft erfüllten die Dämmerung. Sissy kam sich vor wie in einem Traum, den eine andere erlebte. Ihr wirkliches Leben – Kinder und Ehemann und Freunde – waren meilenweit weg, in einer anderen Welt.
Sie ertappte sich dabei, Geräuschen im Garten nebenan nachzuspüren, wünschte sich fast, akustisch mitzubekommen, wie man sich dort sexuell verlustierte.
Ihr Essen wurde gebracht. Sie rührte es nicht an, starrte aufs Telefon. Eds Sekretärin war äußerst zuverlässig. Er musste von Sissys Anruf Kenntnis erhalten haben. Warum rief er nicht zurück?
Unfähig, etwas hinunterzubekommen, ehe das Geheimnis gelüftet war, rief Sissy zu Hause an und freute sich, als sich am anderen Ende die Stimme ihrer Vierzehnjährigen meldete. »Mom! Alles paletti bei dir? Sind dir schon ein paar Filmstars über den Weg gelaufen?«
Sissy erwähnte verschiedene Namen und hörte Adrienne neidvoll aufstöhnen. Dann fragte sie nach Ed.
»Dad ist nicht da. Aber Grandma.«
»Gib sie mir bitte mal. Mom!« Eds Mutter, nicht ihre. Sissys Mutter hatte keine Zeit für ihre Enkel. Nicht weiter verwunderlich, für die eigene Tochter hatte sie ja auch nie Zeit gehabt. »Wieso bist du da?«
»Ed hat mich gebeten, heute Abend die Kinder zu hüten.«
»Wann?«
»Vor ein paar Stunden. Er rief aus der Fabrik an und bat mich, die Kinder von der Schule abzuholen. Sagte, er wollte gleich in seinen Sportclub, mit diesem Freund von ihm, Hank Curly.«
»Danke. Dann ruf ich ihn im Club an.«
Ein Freund von Ed war Hank Curly nicht unbedingt. Er unterstand Ed und hatte seit drei Jahren den Posten eines Verkaufsdirektors inne. Er war es gewesen, der Ed überredet hatte, in den elitären Rockford Men’s Racquet Club einzutreten, und seither gingen sie zwei bis drei Mal die Woche dorthin.
Da sie noch nie im Club angerufen hatte, blieb ihr nichts anderes übrig, als über die Telefonauskunft die Nummer des Clubs in Erfahrung zu bringen. Schon um nicht länger in Ungewissheit zu verharren. Sie musste einfach wissen, warum Ed nicht zurückgerufen hatte.
»Hallo«, sagte sie, als sie mit dem Empfang des Clubs verbunden wurde. »Ich möchte meinen Mann sprechen. Er trainiert bei Ihnen.«
»Gerne. Wie ist der Name des Mitglieds?«
»Ed Whitboro.« Sie buchstabierte es.
Während sie wartete, hörte sie, wie jemand an ihrem Fenster vorbeiging. Stilettos auf Terracottaziegeln und ein Kichern, das ihr bereits vertraut war. Das Pärchen von nebenan schien weg gewesen zu sein und kam jetzt zurück. Würden sie es draußen im Mondlicht miteinander treiben?
»Tut mir Leid, ein Mitglied namens Ed Whitboro ist bei uns nicht registriert.«
»Er ist vor drei Jahren eingetreten.«
»Bedaure.«
Sie überlegte. Vielleicht hieß der Club irgendwie anders.
»Gibt es in Rockford einen weiteren Racquetclub?«
»Nein, Ma’am.«
Trat er etwa als Hanks Gast auf? Ed hatte erwähnt, dass Hank vor neun Jahren den Club mitbegründet hatte. »Könnten Sie dann bitte Hank Curly ausfindig machen? Es ist ziemlich wichtig.«
Sie hörte, wie die Tür des Häuschens nebenan geöffnet und zugeschlagen wurde und dann Stille eintrat.
»Tut mir Leid«, kam es durch die Leitung. »Auch ein Hank Curly ist nicht bei uns registriert.«
Sissy runzelte die Stirn. »Schauen Sie doch bitte nochmal genau nach. Er ist eines
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