Wildes Blut
sie in dem Dessert auf ihrem Teller, viel zu besorgt um ihren Liebsten, um zu essen. Dann drang aus Don Encarnacions riesigem Ballsaal leise Musik herein, und Leutnant von Scheeling unterbrach ihre Überlegungen, indem er sie zum Tanz aufforderte.
Schon strömten die Gäste aus dem Speisesaal durch die Halle, angezogen von den Klängen einer schwungvollen Melodie. Zwar mochte sie den herrischen jungen Offizier nicht, doch in jenem Augenblick verspürte Mercedes den dringenden Wunsch, fortzukommen von ihrem Gemahl und seiner geistvollen, klugen Unterhaltung mit dem Prinzen. Sie lächelte, verabschiedete sich von der Prinzessin und nahm das Angebot an.
Nicholas beobachtete, wie von Scheeling Mercedes beim Aufstehen behilflich war und dann ihren Arm nahm, um sie zum Ballsaal zu geleiten. Ganz plötzlich fühlte er das unsinnige Bedürfnis, die Hand des Leutnants von der zarten Haut seiner Gemahlin fortzuschlagen.
Prinz Salm-Salm lächelte schlau. "Vielleicht sollten wir die Damen nicht länger mit Politik langweilen, sondern uns zum Tanz begeben. Ich bin ein alter Soldat und kein passender Partner für eine so hervorragende Tänzerin wie meine Frau."
"Was Salm nicht sehr dezent andeutet, ist, dass Sie mich zu diesem herrlichen Walzer auffordern sollen", mischte sich Agnes mit heiterem Lachen ein.
"Es wäre mir eine große Ehre", sagte Nicholas, stand auf und verbeugte sich leicht errötend. Die amerikanische Gemahlin des Prinzen war von Natur aus kokett, aber dennoch charmant und sehr amüsant.
Während sie die Halle durchquerten, flüsterte sie ihm verschwörerisch zu: "Wie Ihnen ohne Zweifel bereits zu Ohren gekommen ist, sind meine Tanzkünste das Ergebnis meiner beruflichen Ausbildung. Ich war Zirkusreiterin und pflegte auf dem Rücken trabender Pferde zu tanzen, als Salm mich kennen lernte."
Nicholas warf den Kopf zurück und lachte. "Hoffen wir, dass ich mich anmutiger bewege als ein Zirkuspferd, obwohl ich das nicht versprechen möchte. Es ist einige Jahre her, seit ich das letzte Mal mit einer schönen Dame tanzte - und noch nie zuvor mit einer Prinzessin."
Sie neigte den Kopf und lächelte über das Kompliment, als sie den Ballsaal betraten. Zwei riesige Kristallüster, von denen jeder Hunderte von Kerzen trug, warfen ihr schimmerndes Licht auf den mit poliertem Hartholz vertäfelten Saal, der voller tanzender Paare war. Eine Champagner-Fontäne sprudelte am Ende des Raumes, und ein Orchester, das dem kaiserlichen Hof Ehre gemacht hätte, spielte am anderen.
"Soviel Reichtum hätte ich an einem Ort wie diesem niemals erwartet", gab Agnes zu.
"Die meisten hacendados sind nicht so reich wie Don Encarnacion", erwiderte Nicholas. "Er kann Marodeure mit seiner Privatarmee abschrecken, eine Truppe, die er schon vor dreißig Jahren aufgestellt hat, damit seine Silbertransporte auch sicher die amerikanische Grenze erreichen."
Die Prinzessin nickte verstehend. "Und was ist mit Ihnen, Don Lucero? Wie steht es um Ihre Hazienda in diesen schweren Zeiten?"
"Jetzt, da ich zu Hause bin, werden wir es schaffen. Mercedes hat wahre Wunder vollbracht während meiner Abwesenheit."
Unwillkürlich ließ er seinen Blick durch den Raum schweifen auf der Suche nach dem goldblonden Haupt seiner Gemahlin zwischen den vielen schwarzhaarigen Damen.
Agnes beobachtete, wie er seine Frau ansah. "Vielleicht ist es an der Zeit, dass Sie sie aus Arnoldts Klauen befreien. Er hält sich für einen Frauenheld, aber in Wirklichkeit ist er ein entsetzlicher Langweiler."
"Aber zuerst muss ich mit einer Prinzessin den Walzer tanzen. Das ist vielleicht meine einzige Gelegenheit dazu", entgegnete er lächelnd, während sie über den Tanzboden glitten.
"Sie haben noch nicht viel Zeit miteinander verbracht, oder?"
fragte sie.
"Der Krieg hat viele Familien getrennt, sogar den Kaiser und die Kaiserin. Ich hörte vorhin, wie Sie davon sprachen."
"Ich glaube nicht, dass die beiden jemals ein Liebespaar waren, so wie Sie und Dona Mercedes", sagte die Prinzessin trocken.
"Ich habe gehört, dass er jeder schönen Frau am Hofe nachstellt", meinte Nicholas. "Wie kann der Prinz Sie schützen?"
"Sie sind ein Schmeichler. Ich verehre Max sehr, und er mich ebenso, aber nicht auf diese Weise. Er ist eher wie der charmante, aber ungebärdige jüngere Bruder, den ich nie hatte."
Fortune zog zweifelnd eine Braue hoch. "Irgendwie kann ich Sie mir nicht recht als die strenge ältere Schwester vorstellen."
Jetzt warf sie den Kopf zurück und lachte
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